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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0009
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Mischa Meier, Christine Radtki, Fabian Schulz

Justinians ein epochaler Einschnitt zu sehen ist.3 Vor uns entfaltet sich eine Zeit, in
der sich die Hoffnungen der Menschen auf einen Erlöser richteten, der sie aus ihren
zum Teil durch Naturkatastrophen, zum Teil durch Kriege verursachten prekären Ver-
hältnissen in unmittelbar greifbarer Zukunft erretten sollte. Diese Errettung konnte
von Gott selbst, aber auch vom Kaiser erhofft werden, und nicht selten gewährte letz-
terer großzügige Hilfen und Erleichterungen und präsentierte sich damit als würdiger
Stellvertreter des Herrn auf Erden.
Unser Bild von der Herrschaft Justinians als einer Phase, die von zahlreichen Ka-
tastrophen, allgegenwärtiger Angst und einer weit verbreiteten Endzeitstimmung ge-
prägt war,4 basiert zu einem großen Teil auf der Chronik des Johannes Malalas, der
als wichtiger Zeitzeuge und in verschiedener Hinsicht auch Spiegel eines Zeitgeistes
angesehen werden kann und über den wir neben zahlreichen Details zu regionalen
und lokalen politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten Themen auch Ein-
blicke in wichtige Elemente der justinianischen Herrschaftsrepräsentation erhalten.5
Johannes Malalas verfolgte mit seiner Darstellung der Weltgeschichte, beginnend
mit Adam, ein heilsgeschichtliches Konzept, das sich unter anderem darin äußert, dass
(Natur-)Katastrophen und Fragen der Chronologie in einen engen Zusammenhang
gerückt werden und zudem das verbindende Element zwischen göttlichem und kai-
serlichem Handeln darstellen.6 Aber nicht nur aus diesem Grund kommt der Chronik
des Johannes Malalas eine hohe Bedeutung zu. Neben ihrer Funktion als wichtiges
Zeitzeugnis für die Herrschaft Justinians besitzt sie einen weit über ihren ereignisge-
schichtlichen Charakter hinausgehenden Quellenwert. Sie stellt das älteste erhaltene
Beispiel einer byzantinischen Weltchronik dar und bietet damit singuläre Einblicke
in die Frühphase einer literarischen Gattung, die für das byzantinische Mittelalter
zentrale Bedeutung besessen hat. Die Chronik ermöglicht zudem zahlreiche Einblicke
in kultur- und mentalitätengeschichtlich relevante Aspekte, die über die sonst erhal-
tenen Quellen - vor allem die klassizistische Profanhistoriographie (Prokop) - nicht
gewonnen werden können. Darüber hinaus besitzt sie großen Wert für Fragestellun-
gen, die auf die Entstehung und Entfaltung christlicher Geschichtsschreibung sowie
allgemein der christlichen Memoriakultur der Spätantike zielen; nicht zuletzt lassen
sich aus dem Werk wichtige Erkenntnisse über die Konzeption von Vergangenheit
durch einen christlichen Autor im Oströmischen Reich des 6. Jahrhunderts gewin-
nen. Ohne Zweifel handelt es sich bei Johannes Malalas um einen der bedeutendsten
Historiographen der Spätantike und der byzantinischen Zeit.

3 Vgl. zuletzt Scott (2013a), S. 304!?.; daneben auch Meier (2004a),passim.
4 Brandes (1997), S. 24-63; Meier (2008), S. 41-73; Meier (2004a),passim.
5 Scott (2013a), S. 307.
6 Meier (2007), S. 237-266; Meier (2004b), S. 281-310 sowie Meier (2005), S. 86-107 und 396-400.
 
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