Einleitung
9
i. Zur Forschungsgeschichte7
Obwohl diese grundlegende Bedeutung der Chronik des Malalas nach langer Zeit
der Missachtung und Vernachlässigung in der Forschung mittlerweile zunehmend
anerkannt wird, konnte das Werk aufgrund der komplizierten Überlieferungslage und
der lange vorherrschenden Geringschätzung der Gattung ,Chronik’ allerdings noch
nicht in hinreichender Weise erschlossen werden. Dies ist unter anderem den sich
bis in die 8oer Jahre des 20. Jahrhunderts hartnäckig haltenden pauschalen Negativ-
bewertungen, wie sie seit dem 19. Jahrhundert regelmäßig (und stets ohne empirische
Fundierung) wiederholt worden sind, zuzuschreiben. Als wohl denkwürdigstes Zeug-
nis sei jenes folgenreiche Verdikt angeführt, das Heinrich Geizer im Jahr 1885 über den
Chronisten formulierte:
„Panodoros und selbst Annianos, die beiden Alexandriner, erscheinen uns noch als
bedeutende Gelehrte, wenn wir ihre Leistungen mit dem einzigen uns erhaltenen
Machwerk der antiochenischen Schule, der Chronographie des Johannes Malalas
vergleichen. Es ist ein bedenkliches Zeichen für die mönchische Gelehrsamkeit,
dass ein so elendes Elaborat so grosses Ansehen genoss.“8
Auch in heute noch maßgeblichen historischen und literaturwissenschaftlichen
Handbüchern finden sich Anklänge an diese Beurteilung: Mit der Chronik des Mala-
las, so etwa Otto Maenchen-Helfen in seiner monumentalen Arbeit über die Hunnen,
präsentiere sich das Werk „des stumpfsinnigsten aller byzantinischen Chronisten“.9
Und Herbert Hunger konstatierte 1978 in seiner weiterhin maßgeblichen Geschichte
der hochsprachlichen profanen Literatur der Byzantiner: „In Bezug auf die Materie
und die Art der Darbietung stellt Malalas die typische byzantinische Chronik dar, wie
sie oben [...] als Werk der Trivialliteratur charakterisiert wurde“.10 Freilich ist inzwi-
schen nicht nur die stereotype Verbindung von Mönchtum und mangelnder Bildung
in dieser Pauschalität infrage gestellt worden; auch eine Verortung des Autors Johan-
nes Malalas selbst im mönchischen Milieu erscheint immer unwahrscheinlicher (s.u.).
Dennoch lasten die harschen Urteile, die renommierte Wissenschaftler in den ver-
gangenen Dekaden über Malalas formuliert haben, schwer auf der Chronik und ihrer
Erforschung. Die wissenschaftsgeschichtlich leicht erklärbaren Vorbehalte behindern
vielfach einen unvoreingenommenen Zugang zu Autor und Text; trotz allem konnte
in den letzten Jahren ein beträchtlicher Erkenntnisgewinn verzeichnet werden.
7 Dieser Abschnitt basiert auf dem Vortrag „Zur Geschichte der Malalas-Forschung“, mit dem Christine
Radtki die erste Tagung der Forschungsstelle eröffnet hat.
8 Geizer (1885), S. 129.
9 Maenchen-Helfen (1997), S. 97h Vgl. aus jüngerer Zeit etwa noch das vernichtende Urteil von Tread-
gold (2007), S. 709-745.
10 Hunger (1978), S. 321.
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i. Zur Forschungsgeschichte7
Obwohl diese grundlegende Bedeutung der Chronik des Malalas nach langer Zeit
der Missachtung und Vernachlässigung in der Forschung mittlerweile zunehmend
anerkannt wird, konnte das Werk aufgrund der komplizierten Überlieferungslage und
der lange vorherrschenden Geringschätzung der Gattung ,Chronik’ allerdings noch
nicht in hinreichender Weise erschlossen werden. Dies ist unter anderem den sich
bis in die 8oer Jahre des 20. Jahrhunderts hartnäckig haltenden pauschalen Negativ-
bewertungen, wie sie seit dem 19. Jahrhundert regelmäßig (und stets ohne empirische
Fundierung) wiederholt worden sind, zuzuschreiben. Als wohl denkwürdigstes Zeug-
nis sei jenes folgenreiche Verdikt angeführt, das Heinrich Geizer im Jahr 1885 über den
Chronisten formulierte:
„Panodoros und selbst Annianos, die beiden Alexandriner, erscheinen uns noch als
bedeutende Gelehrte, wenn wir ihre Leistungen mit dem einzigen uns erhaltenen
Machwerk der antiochenischen Schule, der Chronographie des Johannes Malalas
vergleichen. Es ist ein bedenkliches Zeichen für die mönchische Gelehrsamkeit,
dass ein so elendes Elaborat so grosses Ansehen genoss.“8
Auch in heute noch maßgeblichen historischen und literaturwissenschaftlichen
Handbüchern finden sich Anklänge an diese Beurteilung: Mit der Chronik des Mala-
las, so etwa Otto Maenchen-Helfen in seiner monumentalen Arbeit über die Hunnen,
präsentiere sich das Werk „des stumpfsinnigsten aller byzantinischen Chronisten“.9
Und Herbert Hunger konstatierte 1978 in seiner weiterhin maßgeblichen Geschichte
der hochsprachlichen profanen Literatur der Byzantiner: „In Bezug auf die Materie
und die Art der Darbietung stellt Malalas die typische byzantinische Chronik dar, wie
sie oben [...] als Werk der Trivialliteratur charakterisiert wurde“.10 Freilich ist inzwi-
schen nicht nur die stereotype Verbindung von Mönchtum und mangelnder Bildung
in dieser Pauschalität infrage gestellt worden; auch eine Verortung des Autors Johan-
nes Malalas selbst im mönchischen Milieu erscheint immer unwahrscheinlicher (s.u.).
Dennoch lasten die harschen Urteile, die renommierte Wissenschaftler in den ver-
gangenen Dekaden über Malalas formuliert haben, schwer auf der Chronik und ihrer
Erforschung. Die wissenschaftsgeschichtlich leicht erklärbaren Vorbehalte behindern
vielfach einen unvoreingenommenen Zugang zu Autor und Text; trotz allem konnte
in den letzten Jahren ein beträchtlicher Erkenntnisgewinn verzeichnet werden.
7 Dieser Abschnitt basiert auf dem Vortrag „Zur Geschichte der Malalas-Forschung“, mit dem Christine
Radtki die erste Tagung der Forschungsstelle eröffnet hat.
8 Geizer (1885), S. 129.
9 Maenchen-Helfen (1997), S. 97h Vgl. aus jüngerer Zeit etwa noch das vernichtende Urteil von Tread-
gold (2007), S. 709-745.
10 Hunger (1978), S. 321.