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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0029
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28

Johann Martin Thesz

Dass die diametrale Gegenüberstellung von Chronistik und Historiographie so
nicht haltbar ist und dass insbesondere die Zuordnung dieser beiden Gattungen zur
populären bzw. Hochkultur die tatsächlichen Produktions- und Rezeptionsbedingun-
gen stark vereinfacht, ist längst gesehen worden.5 Damit ist auch die Vorstellung, dass
es sich bei Chroniken um Werke ungebildeter Mönche handelt, fragwürdig geworden.
Es ist sogar - in klarem Gegensatz zu früheren Urteilen - behauptet worden, dass die
Verfasser von Chroniken hochgebildet waren.6 Auch das Malalasbild, das in der jün-
geren Forschung gezeichnet wird, erscheint insgesamt positiver, wenngleich die Ur-
teile über seine Person und sein Werk immer noch stark auseinander gehen. Eine ein-
gehendere Beschäftigung mit dem Bildungshintergrund des Malalas hat dabei bislang
allerdings nicht stattgefunden. Für eine angemessene Verwendung seiner Chronik als
historische Quelle ist es jedoch unabdingbar, in dieser Frage, soweit möglich, Klarheit
zu gewinnen, denn dies erlaubt überhaupt erst eine Verortung des Malalas im sozialen,
kulturellen und politischen Gefüge des 6. Jahrhunderts. Daher soll im Folgenden zu-
nächst versucht werden, näher zu bestimmen, über welche Bildung Malalas verfügte,
um dann in einem weiteren Schritt seine Chronik innerhalb der Bildungslandschaft
des 6. Jahrhunderts zu situieren.
In den meisten neueren Arbeiten wird angenommen, dass Malalas in der Bü-
rokratie tätig gewesen sei, möglicherweise im Büro des comes Orient is.7 Es sind vor
allem sprachliche Merkmale, wie etwa die von ihm verwendete Terminologie und
bürokratische Phraseologie, sowie die inhaltliche Ausrichtung seines Werkes, die auf
einen solchen Entstehungszusammenhang hindeuten.8 Geht man von dieser plau-
siblen Annahme aus, so ergibt sich als nächstes die Frage nach seiner Stellung und
Funktion im bürokratischen Apparat. War Malalas, wie Croke behauptet, „a middle
to high ranking official in the imperial bureaucracy at Antioch“9 oder bloß ein „low-
ranking clerk“10 - so Warren Treadgolds Vermutung? Dass so stark divergierende
5 Bereits Beck (1965), S. 197 konnte zeigen, „daß der Unterschied zwischen der Gattung Chronistik und
Historiographie viel geringer ist, als gewöhnlich angenommen wird, vor allem, daß die sozialgeschicht-
liche Unterscheidung der Verfasser und Leserkreise nicht haltbar ist.“
6 Croke (2001), S. 165: „Chroniclers were patently not ill-educated and incompetent; rather they were
highly educated and literate.“ Zur Vorstellung, dass es sich bei den Verfassern von Chroniken um un-
gebildete Mönche gehandelt habe, vgl. Scott (2009), S. 39 f: „Certainly quite a few Byzantine chronic-
les were written by monks, but, where we know anything of those authors, they seem to have retired to
a monastery as a safe haven after being much involved in the ,real world' (sometimes too dangerously
through holding public office, in turn implying a tolerably high level of education) (...). And some
chronicles seem to have been written by bureaucrats, quite possibly with a legal background behind
them. So ,ignorant monks' will not do.“
7 So Croke (1990), S. n.Thurn (2000), S. 1* nimmt an, dass Malalas als Rechtsgelehrter in einem Rechts-
anwaltsbüro, im Büro des Patriarchen oder im Büro des magister militum per Orientem tätig war.
8 Vgl. Croke (1990), S. 10, der von der „pervasive bureaucratic outlook and phraseology“ der Chronik des
Malalas spricht. Zur bürokratischen Sprache des Malalas vgl. Jeffreys (Μ.) (1990) und Horrocks (2010),
S. 245, der von „basic administrative style“ spricht.
9 Croke (1990), S. 11. Ähnlich Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986), S. xxii: „Indeed it is quite likely, (...), that
Malalas came to be employed in the middle to upper echelons of the imperial bureaucracy at Antioch,
probably in the office of the comes Orientis.“
10 Treadgold (2007), S. 252.
 
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