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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0030
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Die christliche Paideia des Johannes Malalas

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Einschätzungen möglich sind, macht deutlich, wie unsicher unser Wissen in dieser
Frage tatsächlich ist. Für das Bildungsniveau des Malalas hat ihre Beantwortung aber
offenkundig potentiell weitreichende Konsequenzen.
Betrachten wir zunächst die Annahme Warren Treadgolds, demzufolge es sich bei
Malalas um einen niedrigen Mitarbeiter in der Bürokratie gehandelt habe. Diese Ver-
mutung beruht insbesondere auch auf dem sprachlichen Niveau des Werkes, das den
eher niedrigen Bildungsgrad des Malalas verrate. Da Treadgolds Argumentation mit
seiner Entstehungshypothese der Chronik zusammenhängt, muss diese kurz skizziert
werden. Treadgold nimmt an, dass es sich bei dem Werk des Malalas weitgehend um
ein Plagiat des Geschichtswerks des Eustathios von Epiphaneia handelt, von dem nur
wenige Fragmente überliefert sind. Mit diesem Plagiat habe Malalas das Ziel verfolgt,
seine Karriere in der Bürokratie voranzubringen.11 Da er sich aber nicht imstande
gesehen habe, den anspruchsvollen Stil des Eustathios in der geplanten Fortsetzung
des Werkes, für die Malalas nicht auf eine Vorlage zurückgreifen konnte, zu imitie-
ren, habe er das sprachliche Niveau bewusst vereinfacht. Für seine ,stilabsenkende‘
Paraphrase des Eustathios habe er ein literarisches Koine-Griechisch etwa auf dem
Niveau des Zosimos zu schreiben versucht; doch sei ihm nicht einmal dies gelun-
gen. ,Gebildete4 Leser hätten daher, so Treadgold weiter, mit Verachtung auf dessen
,stümperhaften4 Stil reagiert.12 Das Konstrukt Treadgolds ist in mehrfacher Hinsicht
äußerst problematisch, denn es basiert auf zahlreichen Annahmen, die keineswegs
zwingend erscheinen; so etwa die Annahme, Malalas habe primär für Angehörige
der Bildungselite geschrieben. Die Vorstellung, jemand könnte über die Erwartun-
gen seiner Rezipienten derart im Unklaren sein, dass er ein völlig unangemessenes
sprachliches Register wählt, scheint eher abwegig. Der Stil des Malalas erweckt auch
keineswegs den Eindruck, als würde er ein höheres Register anstreben, dieses aber auf-
grund seiner sprachlichen Inkompetenz verfehlen; vielmehr scheint er ganz bewusst
einen eher unprätentiösen und für die Informationsvermittlung angemessenen Stil
gewählt zu haben.13 Selbst Krumbacher, auf dessen negative Bewertung des Malalas
eingangs verwiesen wurde, erkannte doch zumindest an, dass „Malalas den richtigen
Ton getroffen“ hatte.14
Wenden wir uns nun der anderen der beiden erwähnten Alternativen zu, nach der
Malalas als mittlerer bis hoher Beamter einzustufen wäre. Dieser Ansatz von Croke
ist zunächst einmal frustrierend vage, problematisch ist aber vor allem die damit zu-
sammenhängende, nicht hinreichend begründete Annahme, Malalas habe über eine
rhetorische Bildung verfügt.15 Diese Annahme beruht letztlich allein auf dem Namen
des Malalas: MU (Malälä) bedeutet im Syrischen so viel wie „redegewandt, eloquent“
11 Treadgold (2007), S. 251.
12 Treadgold (2007), S. 252 spricht von Malalas’ „blundering writing style“ und „turgid prose“.
13 Vgl- Cameron (1985), S. 26 („simple and unpretentious Greek“) sowie Rapp (2005), S. 393, die von „a
rather refreshingly unadorned style“ spricht.
14 Krumbacher (1897), $■ 32^· Die extensive Rezeption der Chronik des Malalas bestätigt dieses Urteil.
15 Croke (1990), S. 11 behauptet, dass Malalas dank seiner rhetorischen Bildung für einen Posten in der
antiochenischen Bürokratie bestens gerüstet war.
 
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