Metadaten

Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0034
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die christliche Paideia des Johannes Malalas

33

Dies hat Sisyphos von Kos in einer Prosaschrift dargestellt, der in dem Krieg
präsent war zusammen mit Teukros; diese Prosaschrift fand Homer der Dichter
und verfasste die Ilias, und Vergil das Weitere. Dies wird auch überliefert in den
Gesängen des Diktys, einem Erzeugnis, das viele Jahre nach Homer und Vergil
entdeckt wurde unter der Kaiserherrschaft des Claudius Nero in einer Blechtruhe.
Die Ilias Homers erscheint hier als Adaptation bzw. Versifizierung von Sisyphos’ Pro-
sadarstellung - und somit als sekundäre Quelle. Dass Malalas nur die Ilias erwähnt
und die Odyssee außer Acht lässt, ist irritierend, zumal er die Aeneis Vergils sowie
Diktys von Kreta nennt und somit offenkundig auch das Geschehen nach dem Tro-
janischen Krieg (τά Λοιπά) an dieser Stelle im Blick hat. Tatsächlich hatte Malalas ja
auch, wie erwähnt, die Irrfahrten des Odysseus referiert (V i6ff). Die Nennung der
Odyssee wäre hier also unbedingt zu erwarten gewesen. Dass Malalas mit dem Namen
,Homer nicht sowohl die Ilias als auch die Odyssee verbindet, macht eindrucksvoll klar,
dass er mit dem antiken Bildungserbe kaum näher vertraut ist.32
Neben den aus seiner Sicht ,primären4 Quellen Sisyphos von Kos und Diktys
von Kreta rezipiert Malalas auch rationalisierende bzw. historisierende Interpretati-
onen der homerischen Gedichte, wie sie in der Antike verbreitet waren und auch von
christlicher Seite verwendet wurden, um die Anstößigkeit der Mythen zu neutralisie-
ren und diese in das christliche Geschichtsbild zu integrieren.33 Die Vorgehensweise
des Malalas soll am Beispiel seiner Transformation des Mythos von Ares und Aphro-
dite illustriert werden. Diese findet sich im Zusammenhang seiner Erzählung der Ge-
schichte Ägyptens und umfasst zwei verschiedene ,historische4 Zusammenhänge. Ein
erster Bezug zur Geschichte vom göttlichen Ehebruch findet sich am Ende des ersten
Buches, wo Malalas als eine der Leistungen des Hephaistos, den er historisierend als
König von Ägypten darstellt,34 dessen Gesetz gegen Ehebruch nennt.35 Hinter die-
sem Konstrukt steht offensichtlich eine moralisierende Interpretation des Liedes von
Ares und Aphrodite (Od. 8, 266-366). Die Bestrafung der beiden Ehebrecher durch
Hephaistos, die bei Homer der Befriedigung des persönlichen Rachebedürfnisses des
betrogenen Gottes dient, wurde nach dieser Deutung offenbar als Bekämpfung des
Ehebruchs gedeutet. Dafür, dass Malalas sich darüber im Klaren war, dass seine his-
torische4 Darstellung auf das Lied von Ares und Aphrodite zurückging, findet sich
allerdings kein Hinweis im Text. Im unmittelbaren Anschluss, im ersten Kapitel des
zweiten Buches der Chronik, nimmt Malalas dann aber explizit auf das Lied von Ares
und Aphrodite Bezug. Auch hier liegt eine historisierende Interpretation des Liedes
seiner Darstellung zugrunde. Helios, der Sohn des Hephaistos und dessen Nachfolger
32 An anderer Stelle (V18) verweist Malalas zwar auf Homers Darstellung der Irrfahrten, doch nennt er
auch dort nicht den Titel der Odyssee, was zu bestätigen scheint, dass es sich an der hier diskutierten
Stelle nicht um ein Versehen handelt.
33 Zur Mythendeutung bei Malalas vgl. Hörling (1980) und Reinert (1981). Zur christlichen Übernahme
der sogenannten ,euhemeristischen‘ Mythendeutung vgl. Fuhrmann (1990), S. i47f.
34 Vgl. Joannes Laurentius Lydus, De mensibus IV 86,19-21.
35 Joannes Malalas, Chronographia 115.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften