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Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0047
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Volker Henning Drecoll

ren Forschung wird diese Sicht weitgehend nicht mehr vertreten. Allgemein geht
man von einem starken Desinteresse des Malalas an allen kirchenpolitischen und
religiösen Fragen aus.3 Die beiden materialreichen Artikel von Alpi und Blaudeau4
zur Darstellung der kirchenpolitischen und religiösen Fragen bei Malalas überhaupt
wollen demgegenüber zeigen, dass Malalas keineswegs unkundig war und - wenn
auch in drakonischer Kürze - doch ein bestimmtes Bild skizziert, das Miaphysi-
ten wie Severos gegenüber nicht unfreundlich ist.5 Allerdings werde die Frage der
Auseinandersetzung zwischen Chalkedonensern und Miaphysiten nicht theologisch
vertieft, sondern auf die Legitimität des jeweiligen Kaisers bezogen.6
Wenn man nun genauer die Frage verfolgen will, ob bei Malalas eine miaphysiti-
sche Tendenz wirksam ist, dann ist es ratsam, von vornherein drei Dringe zu verge-
genwärtigen:
a) Mit Miaphysitismus7 ist eine neuzeitliche Ordnungskategorie genannt, mit der
kirchenpolitischer wie theologischer Widerstand gegen eine kaiserliche Religions-
politik und ihre kirchliche wie theologische Aufnahme bzw. Verteidigung gemeint
ist, die sich maßgeblich auf das Ergebnis des Konzils von Chalkedon stützt. Mia-
physitische Opposition ist also keine inhaltlich geschlossene Konzeption, sondern
eine Abwehrhaltung, die in dem Rückbezug auf Chalkedon eine häretische Un-
terbestimmtheit der Einheit des Inkarnierten sieht.
b) Hauptbezugstext ist die epitomierte griechische Form des Malalas. Das ist deswe-
gen problematisch, weil nicht von vornherein klar ist, ob Verkürzungen und Aus-
lassungen bei Malalas wirklich auf denselben zurückgehen (und nicht erst durch
die Epitome entstanden sind). Ein Vergleich mit der slawischen Fassung könnte
eventuell hier weiterhelfen, kann hier aber nicht vorgenommen werden. Die Be-
rücksichtigung späterer, z.T. syrischer chronograpbischer Traditionen, die auf Ma-
lalas zurückgehen könnten, ist im Hinblick auf unser Thema ein eigenes Problem,
weil hier mit einer besonderen (miaphysitischen) Zusatzfärbung gerechnet werden
muss.
einer monophysitischen Tendenz kritische Position von Udal’cova (1971), S. 3-23 (die ich wegen man-
gelnder Russischkenntnisse nicht benutzen konnte).
3 Vgl. Croke (1990), S. 1-25, hier: 14: „Although Antioch was an intensely theological city with a strong
Christological tradition, Malalas himself shows little interest in theology.“ (Croke spricht sich ebd.
14-16 gegen eine monophysitische Tendenz aus, seine Sicht sei „simple, factual and clearly orthodox“
(ebd. 16)); Meier/Drosihn/Priwitzer (2009), S. 16: „Ebenfalls ist in der Chronik ein überraschend deut-
liches Desinteresse des Autors an den brennenden religiösen Fragen seiner Zeit festzustellen.“
4 Alpi (2006), S. 227-242; Blaudeau (2006), S. 243-256.; vgl. jetzt den Überblick bei Scott (2013), S. 212-216.
5 Blaudeau (2006), S. 244 spricht von „la consistance de son positionnement antinestorien“.
6 Vgl. Alpi (2006), S. 242; Blaudeau (2006), S. 255.
7 Der Begriff Miaphysitisismus ist seit etwa 2000 in der Fachliteratur anstelle des früher gängigen Be-
griffs Monophysitismus üblich geworden. Hintergrund ist einerseits die polemische Verwendung von
μονοφνσϊταί in der Kontroverstheologie des christologischen Streites, die nicht in die moderne His-
toriographie übernommen werden soll, andererseits das Bemühen (insbesondere im ökumenischen
Dialog), dem Selbstverständnis der nicht-chalkedonischen Kirchen gerecht zu werden, vgl. Meinardus
(2001), S. 112-118; Wendebourg (1998), S. 192 Anm. 6. Schlicht von „anti-Chalcedonian churches“ spre-
chen Allen/Neil (2013), z.B.S. 138.
 
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