Metadaten

Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki, Christine [Hrsg.]; Schulz, Fabian [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 1): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Autor - Werk - Überlieferung — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51241#0161
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ι6ο

Fabian Schulz

manchen Stellen besser ist. Insgesamt ist der Text aber, wie die Parallelen in der Os-
terchronik beweisen, als authentischer anzusehen. Eine Neuedition aller Fragmente
erscheint daher dringlicher denn je.
Im Folgenden möchte ich die Stelle aus Buch 14 näher interpretieren, weil die
Evidenz der Fragmente - selbst in der Edition von Mai - bislang nicht berücksichtigt
wurde. Wenn man das tut, verändert sich die Charakterisierung eines kontroversen
Herrscherpaares, was Rückschlüsse auf die Position des ungekürzten Malalas erlaubt.
Die Entzifferung des Palimpsests wird dabei Perspektiven eröffnen, die über die Edi-
tion von Mai hinausgehen.
Geschichte vom Zankapfel
Es geht um eine Geschichte, die zum festen Inventar der meisten byzantinischen
Chroniken gehört:29 Sie handelt von einem großen Fund und einem Apfel der Zwie-
tracht. Ein Bauer fand einen außergewöhnlich großen Apfel und machte ihn Kaiser
Theodosius II. zum Geschenk. Dieser gab ihn seiner Frau Eudokia, die ihn an einen
gewissen Paulinus weiterverschenkte, der ihn wiederum dem Kaiser gab, was diesen
natürlich überraschte und zu dramatischen Schritten veranlasste.
Diese Geschichte, deren historischer Gehalt aus verschiedenen Gründen zweifel-
haft erscheint, ist zuerst bei Malalas bezeugt.30 Roger Scott hat wahrscheinlich ge-
macht, dass Malalas sie aus einer älteren Quelle hat31 und dass dieser Vorläufer die
Replik auf eine andere Geschichte war. Scott bringt die Entstehung von Erzählung
und Gegenerzählung mit den Konflikten verfeindeter religiöser Gruppierungen zu-
sammen, die die Herrschaft zweier Kaiser gegensätzlich bewerteten: einerseits die des
Theodosius, der den Miaphysitismus gestützt hatte, andererseits die des Markian, der
die Politik seines Vorgängers auf dem Konzil von Chalkedon (451) revidiert hatte.32
In der Folge wollten die Miaphysiten, die das Nachsehen hatten, Kaiser Mar-
kian und seine Frau Pulcheria, in ein schlechtes Licht rücken. Daher wurde eine
Geschichte in Umlauf gebracht, wie Pulcheria in jungen Jahren ein Verhältnis zu
Markian anbahnte: Indem sie ihm einen Apfel schenkte, den sie von ihrem Bruder
Theodosius, dem damaligen Kaiser, bekommen hatte. Diese Geschichtsklitterung
sollte das Ansehen der Kaiserfrau, die sich als keusch inszenierte, untergraben: durch
einen schwarzen Fleck auf weißer Weste. Denn die Verführerin mit Apfel erinnerte
29 Vgl. Scott (2010).
30 Johannes Malalas, Chronographia XIV 8, ed. Thurn, S. 276, Zeile 13 - S. 278, Zeile 42. Vgl. Meier (2009),
ad locum: „Diese Episode (...) knüpft an den Bericht von der Hinrichtung des Paulinus 440 n. Chr. an,
die allerdings in Kappadokien erfolgte. Auch andere chronologische Hinweise belegen, daß zwischen
der Hinrichtung des Paulinus und dem Weggang der Eudokia nach Jerusalem (wohl 441/2 n. Chr.) kein
Zusammenhang besteht.“ Scharf (1990), S. 448 f. konnte ihr noch einen wahren Kern abgewinnen.
31 Scott (2010), S. 127 bemerkt, dass die Episode schlecht in die größere Erzählung integriert ist.
32 In seiner Untersuchung des Herrschaftsantritts Markians stellt Burgess (1993/1994) beide Lager vor.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften