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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0018
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Zu den Quellen der Chronik des Johannes Malalas

T7

Erwähnungen früherer Autoren spielen in der Chronik des Malalas, genauso wie in
der gesamten antiken Historiographie, eine andere Rolle. Die Frage muss also lauten:
Warum ist es an einer bestimmten Stelle für Malalas wichtig, diese oder jene Autoren
als Autoritäten zu nennen? Welche ist die intendierte Wirkung auf die Rezipienten
beim Lesen oder Hören des Textes? Malalas hat diese Namen für nennenswert er-
achtet, wahrscheinlich nicht nur, um die Autorität seines eigenen Textes zu erhöhen,
sondern auch, um sich den Gepflogenheiten des historiographischen Genres, dessen
Vertreter er sein will, anzupassen.
Darüber hinaus scheint es gewagt, wie Treadgold zu behaupten, Malalas habe ei-
nige - sonst nicht bekannte - Quellennamen aus dem Nichts fabriziert, um seine
Leser zu täuschen,49 während wir doch gut wissen, dass mit dem Ende der Antike
infolge verschiedenerer Selektions- und Überlieferungsmechanismen deutlich mehr
Texte verloren gegangen als erhalten geblieben sind. Exemplarisch ist der Fall Phi-
lostratos: Treadgold, der auf einen (freilich sehr vorsichtig formulierten) Vorschlag
von Jeffreys zurückgreift, hält diesen Autor für eine Erfindung des Malalas,50 obwohl
er schon in einem anderen Text erwähnt war (Georgius Syncellus, Ecloga chronogra-
phica 721, S. 469, 26-27 Mosshammer = FGrHist 99 Ti); inzwischen ist Philostratos
allerdings auch durch weitere neue Fragmente und somit über jeden Zweifel hinaus
bezeugt.51 Das Argument e silentio erweist sich auch in diesem Fall, wie oft in den
Altertumswissenschaften, als unsicher. Der Weiterentwicklung der Chronographie als
Gattung scheint es sogar geschuldet gewesen zu sein, dass die älteren Werke, die stän-
dig ergänzt, bearbeitet und neugeschrieben wurden, verschwanden, sobald sie nicht
mehr aktuell waren. Das erklärt sicherlich, warum die Malalas-Chronik, wie Tread-
gold richtig bemerkt, für uns nur in einer mangelhaften und gegen Ende recht kom-
primierten Version greifbar ist, obwohl sie große Berühmtheit erlangte und von meh-
reren späteren Chronisten eifrig benutzt wurde.52 Jedenfalls ist unser Text der Chronik
mit dem ursprünglich von Malalas verfassten nicht identisch, sondern besteht aus
einer Art Epitome, wie u.a. der Vergleich der indirekt überlieferten Fragmente (z.B.
in den Excerpta Constantiniana) mit dem Text der Handschrift Bodleianus Baroccianus
182 beweist.53 Es ist also möglich, dass im Laufe des Überlieferungsprozesses - neben
der Entstehung üblicher Fehler, die beim handschriftlichen Kopieren eines Textes un-

49 Treadgold (2007b), S. 715: „The article argues that Malalas was a fraud, who claimed to have consulted
many sources, some of which he fabricated in order to deceive his readers, though he actually para-
phrased a single source, to which he added only invented misinformation and a final account of his own
times“.
50 Treadgold (2007b), S. 723-725, auf der Basis von Jeffreys (1990), S. 190.
51 Vgl. Gengler (2016) und den Beitrag von Laura Mecella in diesem Band. Die relevanten Philostratos-
Fragmente liegen in der neuen Edition von Bleckmann/Groß (2016), S. 76-97 A 3) vor.
52 Die Ausführungen von Treadgold (2007b), S. 709-714 zur Popularität des Malalas-Werkes sind lesens-
wert und wichtig. Nach Treadgold haben jedoch die späteren Chronisten, und hauptsächlich Johannes
von Antiochia, direkt Eustathios und nicht Malalas ausgebeutet; siehe dazu den Beitrag von Laura
Mecella in diesem Band.
53 Siehe nun Meier/Radtki/Schulz (2016a), S. 16-17, ferner Jeffreys (2016) und Schulz (2016).
 
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