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Laura Mecella
all diese Informationen klar die Absicht zu Tage treten, Antiochia ins Zentrum der
} großen Geschichte4 rücken zu wollen und Rom vom ersten Platz zu verdrängen.
Das Werk des Domninos als Sammelbecken für alle diese Antiochia-zentrierten
Notizen anzunehmen, stellt unter der Bedingung eine akzeptable These dar, dass man
ihr rein nominellen Stellenwert einräumt. Da es nicht möglich ist, die historische
(und historiographische) Person des Domninos mit Sicherheit zu rekonstruieren,
sollte dieser Name rein als Sinnbild für jene örtliche historiographische Tradition mit
stark lokalpatriotischer Ausprägung stehen, auf die Malalas so umfangreich und gerne
zurückgegriffen hat. Dass sich diese Tradition in ihren wesentlichen Grundzügen im
Laufe des 4. Jahrhunderts n. Chr. geformt hat, ist äußert wahrscheinlich: Das Beharren
auf einer Benennung wie μεγάλη Αντιόχεια sowie die ständige Hervorhebung der
Rolle der Stadt in der Chronographia deuten auf den Konkurrenzkampf zwischen den
Kaisersitzen in den Jahrzehnten nach Konstantin dem Großen hin, auf eine Zeit also,
in der Konstantinopel seine Vorherrschaft noch nicht etabliert hatte und Antiochia
danach strebte, die erste Stadt des oströmischen Reiches zu werden - was ihr in ge-
wisser Weise auch gelang.
4. Märtyrer-Traditionen und Kirchengeschichte
Anders als der Großteil der christlichen Historiographie, die beginnend mit der
ΈκκΛεσιαστική ιστορία des Eusebios die Epoche der Soldatenkaiser und der Te-
trarchen als besonders finster hinsichtlich der Beziehungen zwischen dem römischen
Reich und dem Christentum stilisiert hat,70 schenkt Malalas der Kirche im 3. Jahr-
hundert keine besondere Aufmerksamkeit. Von den vier Christenverfolgungen unter
Maximinus Thrax, Decius, Valerian und den Tetrarchen, von denen Eusebios berich-
tet, bleibt in der Chronographia diejenige des Valerian vollkommen unbeachtet, wäh-
rend die große Verfolgung unter Diokletian nur wenig Platz einnimmt.71 Etwas mehr
Aufmerksamkeit schenkt Malalas den Maßnahmen des Decius,72 während bezüglich
Maximinus Thrax nur gesagt wird, dass dieser ein διώκτης Χριστιανών war, wobei
in diesem Fall die lakonische Aussage auch einem Eingriff des excerptor Constanti-
nianus geschuldet sein könnte.73 Die Notiz über Maximinus kommt wahrscheinlich
aus Eusebios; dabei handelt es sich um die einzige Quelle, die uns speziell von den
70 Um uns nur auf die Chroniken zu beschränken, sei z.B. an Georgios Synkellos und Johannes Zonaras
erinnert.
71 Bemerkenswert ist auch, dass Malalas über die Verfolgung Diokletians gegen die Manichäer schweigt.
Der einzige Hinweis auf diese Sekte findet sich in dem Kaiser Tacitus gewidmeten Kapitel, wo ein
gewisser Μανιχαΐος ... Κερδών erwähnt wird: Malalas, Chronographia XII 31 (S. 232, 73-75 Thurn);
vgl. dazu Schenk Graf von Stauffenberg (1931), S. 390-391.
72 Malalas, Chronographia fr. XVIIb und fr. XVIIc Thurn (= Excerpta de Virtutibus et Vitiis S. 160, 20-26
Büttner-Wobst); vgl. auch Theodorus Scutariotes, Synopsis S. 37, 23-26 Sathas (= Chronica II 50 Tocci).
73 Malalas, Chronographia fr. Vb Thurn (= Excerpta deInsidiis S. 159,5-6 de Boor). Siehe Eusebius, Historia
Ecclesiastica VI 28 (davon hängen Sulpicius Severus, Chronicon II 32,1; Orosius, Historiae adversum pa-
ganos VII19,2 und 27, 9 ab). Vgl. Schenk Graf von Stauffenberg (1931), S. 364.
Laura Mecella
all diese Informationen klar die Absicht zu Tage treten, Antiochia ins Zentrum der
} großen Geschichte4 rücken zu wollen und Rom vom ersten Platz zu verdrängen.
Das Werk des Domninos als Sammelbecken für alle diese Antiochia-zentrierten
Notizen anzunehmen, stellt unter der Bedingung eine akzeptable These dar, dass man
ihr rein nominellen Stellenwert einräumt. Da es nicht möglich ist, die historische
(und historiographische) Person des Domninos mit Sicherheit zu rekonstruieren,
sollte dieser Name rein als Sinnbild für jene örtliche historiographische Tradition mit
stark lokalpatriotischer Ausprägung stehen, auf die Malalas so umfangreich und gerne
zurückgegriffen hat. Dass sich diese Tradition in ihren wesentlichen Grundzügen im
Laufe des 4. Jahrhunderts n. Chr. geformt hat, ist äußert wahrscheinlich: Das Beharren
auf einer Benennung wie μεγάλη Αντιόχεια sowie die ständige Hervorhebung der
Rolle der Stadt in der Chronographia deuten auf den Konkurrenzkampf zwischen den
Kaisersitzen in den Jahrzehnten nach Konstantin dem Großen hin, auf eine Zeit also,
in der Konstantinopel seine Vorherrschaft noch nicht etabliert hatte und Antiochia
danach strebte, die erste Stadt des oströmischen Reiches zu werden - was ihr in ge-
wisser Weise auch gelang.
4. Märtyrer-Traditionen und Kirchengeschichte
Anders als der Großteil der christlichen Historiographie, die beginnend mit der
ΈκκΛεσιαστική ιστορία des Eusebios die Epoche der Soldatenkaiser und der Te-
trarchen als besonders finster hinsichtlich der Beziehungen zwischen dem römischen
Reich und dem Christentum stilisiert hat,70 schenkt Malalas der Kirche im 3. Jahr-
hundert keine besondere Aufmerksamkeit. Von den vier Christenverfolgungen unter
Maximinus Thrax, Decius, Valerian und den Tetrarchen, von denen Eusebios berich-
tet, bleibt in der Chronographia diejenige des Valerian vollkommen unbeachtet, wäh-
rend die große Verfolgung unter Diokletian nur wenig Platz einnimmt.71 Etwas mehr
Aufmerksamkeit schenkt Malalas den Maßnahmen des Decius,72 während bezüglich
Maximinus Thrax nur gesagt wird, dass dieser ein διώκτης Χριστιανών war, wobei
in diesem Fall die lakonische Aussage auch einem Eingriff des excerptor Constanti-
nianus geschuldet sein könnte.73 Die Notiz über Maximinus kommt wahrscheinlich
aus Eusebios; dabei handelt es sich um die einzige Quelle, die uns speziell von den
70 Um uns nur auf die Chroniken zu beschränken, sei z.B. an Georgios Synkellos und Johannes Zonaras
erinnert.
71 Bemerkenswert ist auch, dass Malalas über die Verfolgung Diokletians gegen die Manichäer schweigt.
Der einzige Hinweis auf diese Sekte findet sich in dem Kaiser Tacitus gewidmeten Kapitel, wo ein
gewisser Μανιχαΐος ... Κερδών erwähnt wird: Malalas, Chronographia XII 31 (S. 232, 73-75 Thurn);
vgl. dazu Schenk Graf von Stauffenberg (1931), S. 390-391.
72 Malalas, Chronographia fr. XVIIb und fr. XVIIc Thurn (= Excerpta de Virtutibus et Vitiis S. 160, 20-26
Büttner-Wobst); vgl. auch Theodorus Scutariotes, Synopsis S. 37, 23-26 Sathas (= Chronica II 50 Tocci).
73 Malalas, Chronographia fr. Vb Thurn (= Excerpta deInsidiis S. 159,5-6 de Boor). Siehe Eusebius, Historia
Ecclesiastica VI 28 (davon hängen Sulpicius Severus, Chronicon II 32,1; Orosius, Historiae adversum pa-
ganos VII19,2 und 27, 9 ab). Vgl. Schenk Graf von Stauffenberg (1931), S. 364.