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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0318
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Johannes „der Rhetor*

der Nachfolge Tribonians als quaestor sacrii palatii am Hof Justinians, ein Handbuch der
Grundsätze des heiligen Gesetzes (Instituta Regularia Divinae Legis) verfasste, kann al-
lenfalls als ein Beweis für die zunehmende Fragwürdigkeit der traditionellen Bildung
in einigen Kreisen gelten (und erst um die Mitte des Folgejahrhunderts!),187 nicht für
die bereits erfolgte Institutionalisierung eines christlichen Unterricht-Systems. Ganz
im Gegenteil: Junillus’Einleitungsworte, wonach „in der Schule der Syrer in der Stadt
Nisibis (...) das heilige Gesetz durch öffentliche Lehrer ordnungsgemäß und regel-
mäßig weitergegeben wird so wie bei uns in den säkularen Studien die Grammatik
und die Rhetorik“ zeigen deutlich, dass im Reich Justinians die Normalform (und
der Maßstab) der schulischen Bildung immer noch der Unterricht in grammatica et
rhetoric a war.188
In seinem Versuch, konkrete „alternative Bildungsangebote“189 zu nennen, die dem
jungen Johannes neben dem Weg zur griechischen Grammatik und Rhetorik offen
standen, stellt Thesz ferner die Hypothese auf, dass der künftige Chronist, als natür-
liche Folge seiner syrischen Herkunft, eben eine syrische Schule hätte besuchen kön-
nen; und in der syrischen Bildung, wie die berühmte, auch von Junillus als paradigma-
tisch erwähnte Schule von Nisibis zeigt,190 191 standen christliche Lehre und christliche
Texte auf Syrisch im Mittelpunkt, nicht grammatica et rhetorical Diese Hypothese ist
mindestens ebenso spekulativ (wenn nicht sogar mehr: das westsyrische Antiochia lag
im griechischen Einflussbereich) wie die Alternative, die sie widerlegen soll; vor allem
kann sie Malalas’literaturfähige Beherrschung der griechischen Sprache nicht erklären.
Schließlich weist Thesz noch auf die Möglichkeit hin, Malalas habe eine niedrigere,
wohl griechischsprachige, aber auf die Vermittlung von Bibelkenntnissen und für Ver-
waltungsaufgaben nötigen Lese- und Schreibefähigkeiten beschränkte Bildung ge-
nossen.192 Sieht man von der hier nicht relevanten Vermittlung von Bibelkenntnissen
187 So Thesz (2016), S. 39
188 Syrorum schola in Nisibi nrbe (...) nbi divina lex per magistros piiblicos, sicut apnd nos in mundanis studiis
grammatica et rhetorica, ordine ac regulariter traditur (Text nach Maas [2003], S. 118, 120). Aus der
Existenz dieses Werkes des Junillus versucht Maas (2003), insb. S. 13, 76 eine im Umfeld des Kaisers
geführte Debatte zwischen Vertretern der ,neuen* (eben Junillus) und ,alten* (darunter Prokop von
Caesarea?) Bildung abzuleiten. Für diesen vermeintlichen,Bildungsstreit* fehlen allerdings weitere bzw.
direkte Beweise; er wäre jedenfalls für das Schulalter des Malalas, das deutlich früher als die mittlere
Periode der Regierung Justinians anzusetzen ist, nicht relevant.
189 Formulierung laut Thesz (2016), S. 35.
190 Zur Organisation und ereignisreichen Geschichte dieser Schule siehe Maas (2003), S. 101-111.
191 Thesz (2016), S. 37-38, auf der Basis von Liebeschutz (2001), S. 244-245. Die von Thesz herangezogenen
Beispiele von Autoren, die - wie Malalas - aus dem syrischen Kulturraum stammten und - anders als
Malalas - der klassischen Bildung explizit feindlich gesinnt waren (Romanos Melodos, Johannes von
Telia), vermögen wenig zu beweisen: Es stimmt, dass diese Schriftsteller sich vom klassischen
Kulturerbe abwandten, eine Kenntnis davon erhielten sie in ihren jungen Jahren aber doch: Sie sind als
syrische Christen nicht der klassischen Bildung fremd, sondern kennen sie und lehnen sie ab; zu
Johannes von Telia siehe auch Brock (1982), S. 21; Brock (1994), S. 156.
192 Thesz (2016), S. 35. Dass man sich darunter eine auf Griechisch geführte Unterweisung vorzustellen hat,
sagt Thesz nicht, scheint es aber durch den Hinweis auf die Sprache der Bürokratie - eben Griechisch
- vorauszusetzen. Wenn es so ist, dann bleibt das Verhältnis zwischen dieser Hypothese und der ande-
ren auf S. 37-38 vorgetragenen Idee einer syrischen Bildung des Malalas unklar.
 
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