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Carrara, Laura [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Radtki-Jansen, Christine [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0337
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336

Fabian Schulz

der Tat zu den Fragmenten des Werks, die auf uns gekommen sind.34 Im nächsten
Kapitel (Chronographia IV 8, S. 55, 79-87 Thurn) befragen die Argonauten auf Ky-
zikos Apollon, wem sein Tempel gehören werde. Die Pythia antwortet in Prosa:35
Maria, der Mutter des dreieinigen Gottes. Es handelt sich wiederum eindeutig um
ein christliches Fabrikat.
Der vorletzte Spruch ist in die Geschichte der frühen Republik eingeflochten, die
Buch VII der Chronographia schildert. Malalas behauptet, Platon habe im Timaios
einen dreifältigen Gott prophezeit {Chronographia VII 15, S. 143, 65-70 Thurn). Die
betreffenden Aussagen finden sich in genanntem Dialog mehr oder weniger wörtlich
wieder.36
Der letzte Spruch fällt in die Zeit des Augustus, von der Buch X der Chronogra-
phia handelt. Augustus fragt, wer sein Nachfolger sein werde; die Pythia antwortet in
Hexametern: ein hebräisches Kind, woraufhin der Kaiser dem erstgewordenen Gott
einen Altar errichtet {Chronographia X 5, S. 176, 82-96 Thurn). Offensichtlich handelt
es sich ebenfalls um ein christliches Erzeugnis. Laura Mecella hat richtig gesehen,
dass Augustus durch die Adoption des Kults eine besondere Rolle in der Heilsge-
schichte zukommt und dass der erste Kaiser zum Prototyp des christlichen Herrschers
wird.37 Augustus stehe in einer Reihe mit den großen Gestalten der Vergangenheit,
die Elemente des christlichen Glaubens vorausahnten. Aber während heidnische
Weise und Intellektuelle wie Hermes Trismegistos und Platon einzelne Elemente
der Offenbarung in ihren Spekulationen unwissentlich vorwegnahmen, erkenne der
Herrscher die Bedeutung der christlichen Botschaft und mache sich zu ihrem Hüter.
Das erklärt gut, warum Augustus auch als Myste bezeichnet wird. Unsere Gesamt-
schau des theosophischen Materials bei Malalas erlaubt es, Augustus nicht nur in die
Reihe der Propheten, sondern auch in die Reihe der Empfänger von Orakelsprüchen
zu stellen: Petissonios hatte die Macht des einzigen Gottes ignoriert, Thulis hatte sich
ihr - zwangsläufig - gebeugt, Augustus adoptiert sie. Die translatio imperii et sapientiae
geht also mit einer Evolution vom schlechten zum guten Herrscher einher.
Zusammenfassend: Die Malalas-Chronik enthält vier Sprüche von Orakelstät-
ten (μαντείαν) in Afrika, Ägypten und Griechenland, die auf konkrete Anfragen
antworten, sowie sechs Prophetien von vier weisen Männern aus Ägypten und Grie-
chenland. Insgesamt sind die theosophischen Weissagungen in den früheren Büchern
häufiger als in den späteren, wobei es Cluster in Buch II und Buch IV gibt. Das
Orakel an Augustus ist der Kulminationspunkt. In den Büchern nach Christi Geburt
findet sich (konsequenterweise) kein weiteres theosophisches Material. Die Sprüche
sind teils mit Interpretationen versehen und sprechen teils für sich. Zu den Sprüchen,
die tatsächlich heidnisches Gedankengut enthalten {ChronographiaW 4; IV 7; VII15),
gesellen sich christliche Fabrikationen (ChronographiaTi 2; II14; III13; IV 8; X 5).
34 Orpheus, Carmina Theogonica yj T, 102 F und 107 F Bernabe.
35 Wie auch in der Fassung dieses Orakels, die in Theosophia Tubingensis §§53-54 Erbse enthalten ist; zu
möglichen metrischen Resten vgl. Erbse (1995), S. 36.
36 Plato, Timaeus 36ε.
37 Mecella (2013), S. 363-364.
 
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