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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0344
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Theosophische Weissagungen bei Malalas

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lalas war, sondern umgekehrt, dass Malalas eine Vorlage der Sammlung war?1 Brock
schließt diese Möglichkeit wegen der abweichenden Reihenfolge aus: Der Blick auf
seine Tabelle offenbart aber, dass die Reihenfolge nur in einem einzigen Punkt ab-
weicht und sonst identisch ist.71 72 Außerdem enthalten die Sprüche Reste von narra-
tiven Passagen, die in Orakelsammlungen sonst nicht zu finden sind; wohl aber bei
Malalas.73 Dass in der syrischen Sammlung die Weissagungen des Orpheus zwischen
denen des Thulis und des Hermes Trismegistos stehen, scheint eher auf einen Fehler
bei der Rezeption des Malalas als auf eine unbekannte narrative Quelle hinzuwei-
sen. Denn Orpheus passt schlecht in die ägyptische Geschichte. Dass in der syri-
schen Sammlung allein das Orakel an Augustus (ßhronographia X 5) fehlt, überrascht
aber.74 Vielleicht wurde es wegen des großen Abstands zur vorangehenden Prophe-
tie schlicht übersehen oder die benutzte Malalas-Handschrift enthielt nur die erste
Hälfte der Chronik.
3.2.3 Ungenannte Quelle: Bouttios?
Laut Benjamin Garstad hat Malalas die Thulis-Episode (Chronographia II 2) dem
Chronographen Bouttios entnommen,75 der nur in der Chronik erscheint - u.a. im
Zusammenhang mit Alexander dem Großen - und gemeinhin für eine Erfindung ge-
halten wird.76 Garstad glaubt, dass die Thulis-Figur und ihre Geschichte von Alexan-
der (sowie von Sesostris und Osiris) inspiriert sei. Der Spruch solle die Arroganz des
heidnischen Herrschers durch die Ankündigung der Trinität konterkarieren. Dieser
Gebrauch eines heidnischen Orakels für christliche Zwecke passe zu den wechsel-
seitigen Polemiken des 4. nachchristlichen Jahrhunderts, in deren Kontext Bouttios’
Schaffen zu situieren sei.77 Bouttios habe Malalas dazu gebracht, noch mehr theoso-
phisches Material u.a. aus Kyrill zu rezipieren. Diese These ist sehr spekulativ. Mir
scheint nicht, dass die Thulis-Episode den namentlich so gekennzeichneten Bouttios-
Passagen in der Chronik besonders nahe steht.78 Außerdem wäre Bouttios mit Ab-
stand der früheste Autor, der ein theosophisches Orakel in ein Narrativ eingebaut
71 Brock (1983), S. 206.
72 Nämlich bei den Orpheus-Sprüchen (Malalas, Chronographia IV 7).
73 Brock (1983), S. 229: Orakel von Memphis an Petissonios und von der Pythia an die Argonauten.
74 Andere syrische Orakelsammlungen enthalten es,vgl. Brock (1984).
75 Garstad (2014a). Garstad (2014b) rechnet Bouttios auch die Geschichte der Gründung von
Tarsus zu.
76 Jeffreys (1990a), S. 174: „The name is suspiciously close to the cult name Zeus Bottios or
Bottiaios“; siehe allerdings zugunsten der Historizität dieses Autors den Beitragvon Peter van Nuffelen
in diesem Band.
77 Laut Garstad (2005), insb. S. 120-133 geht Malalas’ Darstellung der blutigen und unblutigen
Opfer, die Herrscher bei Stadtgründungen vollziehen, auf ein Geschichtswerk des Bouttios zurück, das
von den Polemiken gegen Kaiser Julian, den Abtrünnigen, inspiriert sei.
78 Laut Garstad (2014a), S. 72 verweisen Malalas’ Berichte über Thulis und die früheren ägyptischen
Könige, die von ihren Untertanen vergöttert wurden, auf die euhemeristische Mythendeutung des
Bouttious; aber Malalas zieht im zweiten Buch weitere euhemerische Autoren wie Kephalion und
Rheginos heran.
 
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