Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Editor]; Gengler, Olivier [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI chapter:
I. Geschichtsschreibung als memoria
DOI chapter:
Hölkeskamp, Karl-Joachim: Mythen, Monumente und Memorialkultur: die 'Corporate Identity' der gens Fabia
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0035
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
34

Karl-Joachim Hölkeskamp

Damit stellt sich die grundsätzliche Frage nach Rolle, Funktionen und Gewich-
tung schriftlicher Zeugnisse im weitesten Sinne im Rahmen des Gesamtrepertoires
der Medien, Strategien und konkreten Praktiken, welche für die Selbstdarstellung
einer gens, für die nachhaltige Sicherung der memoria über den Tag hinaus und damit
für die Bestätigung ihres Status als Teil der allerersten Garde der Nobilität spielen
konnte. Dabei geht es um Texte, die sich absichtsvoll, direkt und gezielt an eine brei-
tere Öffentlichkeit wandten, also an die peer group oder auch den populus Romanus
insgesamt. Dazu gehörten einerseits die erwähnten Inschriften auf Monumenten aller
Art, die genau das ganz explizit tun - wie etwa die ältesten Elogien der Scipionen,
in denen demonstrativ betont wird, dass sie consol, censor, aidilis gewesen seien, und
zwar apud vos, obwohl diese Anrede in einer geschlossenen Grabanlage wenig Sinn zu
machen scheint:46 Hierbei handelt es sich offensichtlich um Zitate, vielleicht aus der
jeweiligen laudatio funebris oder auch aus einer öffentlich zugänglichen und sichtbaren
Inschrift, etwa auf einer Ehrenstatue.
Gerade in dieser Zeit, in dem neuen Umfeld einer sich entwickelnden ,literari-
schen Kultur, entsteht bekanntlich auch jene Gattung, die in jedem Falle eine Rolle
in der Memorialkultur einer Gesellschaft allgemein und im Repertoire der konkreten
Medien der Vermittlung, Bewahrung und Deutung spielt - nämlich das spezifische
Genre der Historiographie. Und damit sind wir endlich bei jenem Zeitgenossen und
Verwandten des Cunctator, der als Autor einer Geschichte Roms von den mythischen
Ursprüngen bis auf seine eigene Zeit zum Archegeten der Geschichtsschreibung
überhaupt wurde: Cf Fabius Pictor47 - geboren um 270, als C.f Sohn des Consuls von
269, Enkel des erwähnten Schöpfers der Gemälde im SöAy-Tempel und wahrschein-
lich Urenkel des Μ. Fabius Ambustus, damit also Großneffe des berühmten fünfma-
ligen Consuls Rullianus und damit wiederum Cousin zweiten Grades des Cunctator.
Uber diese dürren Daten hinaus ist über den Mann selbst nicht viel bekannt, und
davon ist manches auch noch umstritten: Dieser Fabius kämpfte in den Ligurischen
Kriegen, vielleicht unter dem Oberbefehl seines Cousins als Consul 233. Pictor ist
allerdings selbst nicht Consul geworden, war aber Senator und hat es vielleicht zur
Praetur gebracht - die Inhaber dieses Amtes in den Jahren vor 218 sind ja nur spo-
radisch überliefert. Jedenfalls setzt ein besonderer offizieller Auftrag des Senats wie
derjenige, nach der Katastrophe von Cannae als Gesandter das Apollon-Orakel in
Delphi um Rat in dieser existentiellen Krise der res publica zu befragen, in der Regel
mindestens praetorischen Rang voraus.48 Dieser Auftrag für Pictor verlangte nicht
nur perfekte griechische Sprachkenntnisse, die er wiederum durch seine Übersetzung

46 CIL I2 6,7, cf. p. 718,739,859 = VI1284,1285 = VI31587,31588, cf. p. 3134, VI37039, p. 4670-4671, und = ILS
i und 2.3 = ILLRP 309 und 310. Siehe dazu Kruschwitz (2002), S. 32-48 und 58-70, mit weiteren Nach-
weisen. S. zu der Grabanlage generell immer noch Coarelli (1972/1996); Flower (1996) S. 160-180; Et-
cheto (2012) S. 209-259.

47 Siehe zu seiner Vita etwa H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 56-57; E. Bispham/T. Cornell, FRHist I,
S. 161-178, jeweils mit weiteren Nachweisen.

48 FRHist i T 3-4 (= Livius, ab Urbe condita XXII 57,4-5; XXIII 11,1-6; Plutarchus, Fabius 18,3). Vgl. etwa
H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 56-57.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften