Mythen, Monumente und Memorialkultur: die ,Corporate Identity* der gens Fabia
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zunächst von Autoren aus der Mitte der classe dirigeante, von dem berühmten Cato
,Censorius‘ und seinen unkonventionellen Origines bis zu dem patrizischen Consular
A. Postumius Albinus und dem sittenstrengen Censorier L. Calpurnius Piso Frugi.62
Und der Consul des Jahres 142, Q^Fabius Maximus (Servilianus), gilt als Verfasser von
historiae bzw. annales, die durchaus Beachtung gefunden zu haben scheinen - damit
setzte er also gewissermaßen eine Familientradition fort.63
Wenn Pictors Werk und die Geschichtsschreibung generell als innovative Er-
weiterung der Medien der Memoria angesehen werden dürfen, stellt sich notwendig
die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis dieser Innovation zu den erwähnten
monumentalen, visuellen und performativen Trägern bzw. Praktiken der kollektiven
Erinnerung. Und gerade diese Frage wird bis heute durchaus konträr beantwortet:
Zumindest in der Republik, so hat man neuerdings etwas mutwillig zugespitzt for-
muliert, waren die Stadt selbst, die auratischen Orte, die uralten „terracotta-clad buil-
dings“ und die sonstigen Monumente, die in ihre politisch-sakrale Topographie ein-
gebettet waren, der eigentliche, zumindest der hauptsächliche „historische Text“, ja,
das kulturelle Gedächtnis der Stadt gilt gewissermaßen als hochgradig verräumlicht.64
Daher hat Tonio Hölscher zumindest die frühe Geschichtsschreibung nur als einen
„späten, komplexen Seitenzweig des geschichtlichen Gedächtnisses, von geringerer
Öffentlichkeit, Monumentalität und Verbindlichkeit“ und „von eher begrenzter his-
torischer Wirkungskraft“ bezeichnet65 und damit ihre Bedeutung für die republikani-
sche Memorialkultur in bewusster Zuspitzung minimiert. Dagegen will Uwe Walter
„der memoria in textuell-literarischer Form“ sogar „einen besonderen Rang“ einräu-
men - und zwar vor allem weil Monumente „trotz ihrer Funktion als „öffentliche
Gedächtnismedien von beträchtlicher Breitenwirkung“ eben nicht in der Lage seien,
„alle historisch relevanten Ereignisse und Fixpunkte“ gewissermaßen abzudecken -
und insbesondere seien „viele Bezüge zwischen Vergangenheit und Raum“ überhaupt
nur in „Geschichten“ bewahrt worden, zunächst als „Grundbestand der mündlichen
Tradition“ und dann als „eine Säule der historiographischen Fixierung“. Es sei diese
,Fixierung, die nicht nur allein zur Stiftung eines zeitlichen Kontinuums in der Lage
gewesen sei, sondern gerade dadurch auch die „einzigartige Fähigkeit... zur Kon tex -
tualisierung und zur Bewahrung bzw. Neukonstituierung von Sinn“ gehabt hätte, und
das gelte auch und vor allem für „Gedächtnisorte der Frühzeit“, deren „präsentisch-
kommunikative“ Funktion genau das eben nicht leisten könne.66
Nun stellt sich die Frage, ob diese generellen Aussagen auch in diesem speziellen
Fall der gens Fabia und ihrer memorialen Praktiken in dieser zugespitzten Polarisie-
62 Siehe zu Catos Origines H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 148-154; Timpe (1970-1971/2007); Walter (2004),
S. 279-296 und jetzt grundlegend T.J. Cornell, FRHist I, S. 191-218; zu Postumius Albinus: H. Beck/U.
Walter, FRH I, S. 225-227; Walter (2004), S. 296-297; S. Northwood, FRHist I, S.187-190, und zu Cal-
purnius Piso: H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 282-285; Walter (2004), S. 306-319; Μ. Pobjoy, FRHist I,
S. 230-239.
63 Vgl. S. Northwood, FRHist I, S. 228-229.
64 Purcell (1989), S. 165; Edwards (1996), S. 30 (Zitate).
65 Hölscher (2001), S. 188.
66 Walter (2004), S. 212-220, Zitate: 220 bzw. 212, 213, 214-215.
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zunächst von Autoren aus der Mitte der classe dirigeante, von dem berühmten Cato
,Censorius‘ und seinen unkonventionellen Origines bis zu dem patrizischen Consular
A. Postumius Albinus und dem sittenstrengen Censorier L. Calpurnius Piso Frugi.62
Und der Consul des Jahres 142, Q^Fabius Maximus (Servilianus), gilt als Verfasser von
historiae bzw. annales, die durchaus Beachtung gefunden zu haben scheinen - damit
setzte er also gewissermaßen eine Familientradition fort.63
Wenn Pictors Werk und die Geschichtsschreibung generell als innovative Er-
weiterung der Medien der Memoria angesehen werden dürfen, stellt sich notwendig
die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis dieser Innovation zu den erwähnten
monumentalen, visuellen und performativen Trägern bzw. Praktiken der kollektiven
Erinnerung. Und gerade diese Frage wird bis heute durchaus konträr beantwortet:
Zumindest in der Republik, so hat man neuerdings etwas mutwillig zugespitzt for-
muliert, waren die Stadt selbst, die auratischen Orte, die uralten „terracotta-clad buil-
dings“ und die sonstigen Monumente, die in ihre politisch-sakrale Topographie ein-
gebettet waren, der eigentliche, zumindest der hauptsächliche „historische Text“, ja,
das kulturelle Gedächtnis der Stadt gilt gewissermaßen als hochgradig verräumlicht.64
Daher hat Tonio Hölscher zumindest die frühe Geschichtsschreibung nur als einen
„späten, komplexen Seitenzweig des geschichtlichen Gedächtnisses, von geringerer
Öffentlichkeit, Monumentalität und Verbindlichkeit“ und „von eher begrenzter his-
torischer Wirkungskraft“ bezeichnet65 und damit ihre Bedeutung für die republikani-
sche Memorialkultur in bewusster Zuspitzung minimiert. Dagegen will Uwe Walter
„der memoria in textuell-literarischer Form“ sogar „einen besonderen Rang“ einräu-
men - und zwar vor allem weil Monumente „trotz ihrer Funktion als „öffentliche
Gedächtnismedien von beträchtlicher Breitenwirkung“ eben nicht in der Lage seien,
„alle historisch relevanten Ereignisse und Fixpunkte“ gewissermaßen abzudecken -
und insbesondere seien „viele Bezüge zwischen Vergangenheit und Raum“ überhaupt
nur in „Geschichten“ bewahrt worden, zunächst als „Grundbestand der mündlichen
Tradition“ und dann als „eine Säule der historiographischen Fixierung“. Es sei diese
,Fixierung, die nicht nur allein zur Stiftung eines zeitlichen Kontinuums in der Lage
gewesen sei, sondern gerade dadurch auch die „einzigartige Fähigkeit... zur Kon tex -
tualisierung und zur Bewahrung bzw. Neukonstituierung von Sinn“ gehabt hätte, und
das gelte auch und vor allem für „Gedächtnisorte der Frühzeit“, deren „präsentisch-
kommunikative“ Funktion genau das eben nicht leisten könne.66
Nun stellt sich die Frage, ob diese generellen Aussagen auch in diesem speziellen
Fall der gens Fabia und ihrer memorialen Praktiken in dieser zugespitzten Polarisie-
62 Siehe zu Catos Origines H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 148-154; Timpe (1970-1971/2007); Walter (2004),
S. 279-296 und jetzt grundlegend T.J. Cornell, FRHist I, S. 191-218; zu Postumius Albinus: H. Beck/U.
Walter, FRH I, S. 225-227; Walter (2004), S. 296-297; S. Northwood, FRHist I, S.187-190, und zu Cal-
purnius Piso: H. Beck/U. Walter, FRH I, S. 282-285; Walter (2004), S. 306-319; Μ. Pobjoy, FRHist I,
S. 230-239.
63 Vgl. S. Northwood, FRHist I, S. 228-229.
64 Purcell (1989), S. 165; Edwards (1996), S. 30 (Zitate).
65 Hölscher (2001), S. 188.
66 Walter (2004), S. 212-220, Zitate: 220 bzw. 212, 213, 214-215.