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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
I. Geschichtsschreibung als memoria
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Hölkeskamp, Karl-Joachim: Mythen, Monumente und Memorialkultur: die 'Corporate Identity' der gens Fabia
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0042
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Mythen, Monumente und Memorialkultur: die ,Corporate Identity* der gens Fabia

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Darüber hinaus wird man mit einiger Zuversicht sagen können, dass Pictor damit
die Multimedialität der gentilizischen memoria der gens Fabia um eine ganz eigene,
historisch-literarische Dimension erweitert hat - auch die Prominenz der Mythen
um Herakles, welche das erwähnte Dipinto aus Tauromenion zu belegen scheint, wird
damit erklärlich. Und in der Lebenswelt dieser genuin politischen Klasse, die exklusiv
auf Politik und Krieg in Gegenwart wie in ihrer eigenen Geschichte ausgerichtet war,
hatte er damit sogar Erfolg: Der erwähnte nachweisliche Einfluss seines Narrative
auf die Entwicklung der Meistererzählung ab urbe condita bis zur jeweiligen Zeitge-
schichte der senatorischen Autoren der sogenannten älteren Annalistik und darüber
hinaus ist der beste Ausweis dieses Erfolgs.
Gerade durch diesen Erfolg konnte diese Art eines literarischen ,self-fahioning‘
eben auch zu einem erfolgreichen ,Alleinstellungsmerkmar als Teil (und gewisserma-
ßen im Dienst) der eigenen, besonderen corporate identity4 der gens Fabia werden -
und das war ein nicht zu unterschätzender Gewinn in der ideologisch, in Bezug auf
Orientierung und Wertehorizont ebenso wie bezüglich des Repertoires an zulässigen
Medien und Strategien der öffentlichen Selbstdarstellung eigentlich hochgradig ho-
mogenen classe dirigeante; denn der Status von Geschichtsschreibung im Gesamtre-
pertoire kulturspezifischer, gesellschaftlich und ideologisch akzeptierter Medien und
Strategien der Sicherung der Erinnerung und damit des akkumulierten symbolischen
Kapitals war natürlich nicht immer und nicht bei allen gentes gleich. Und auch in die-
ser Hinsicht leistete Fex primus inventor der senatorischen Historiographie seiner gens
einen guten Dienst: Die auch von anderen Familien beanspruchten Kerntugenden wie
virtus,fortitudo, sapientia, die eben nicht nur von Figuren wie Fabius Rullianus und
dem Cunctator exklusiv personifiziert werden konnten (wie schon die Rivalitäten mit
Marcellus und Scipio Africanus belegen), ließ sich mit einem besonderen Repertoire
an religiöser Expertise narrativ kombinieren, für das wiederum der Cunctator als lang-
jähriger Augur und schließlich zugleich Pontifex, aber auch der Autor selbst standen.
Diese Art einer gentilizischen Selbstverortung war eigentlich nur im Medium des
histor(iograph)ischen Diskurses durch Einflechten in das große Narrativ zu errei-
chen. Dieser Fabius aus der vergleichsweise unbedeutenden Nebenlinie der Pictores,
der es nicht einmal zum Consulat gebracht hatte, steigerte also durch seine Art und
Weise der memorialen Verwaltung des symbolischen Kapitals der gens deren Ruhm
weit über den Tag hinaus und machte sie - trotz oder gerade wegen der erwähnten
Tragödien und Ambivalenzen - zu einem integralen Teil der Meistererzählung von
den Ursprüngen der Stadt, den Niederlagen und Rückschlägen und ihrem letztlich
dennoch unaufhaltsamen Aufstieg zu imperialer Größe.
 
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