Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
II. Memoria und Kaisertum
DOI Kapitel:
Borsch, Jonas: Schriftliche Bildnisse: Personalisierte Erinnerung in Malalas' Portäts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0056
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schriftliche Bildnisse. Personalisierte Erinnerung in Malalas’ Porträts

55

Diktys-Vorlage entliehenes) Schema einpasste.20 Schon Edwin Patzig hat in einer
Rezension zu Fürsts Buch bemerkt, dass die vollständig erhaltene, von einem gewissen
Septimius verfasste lateinische Version der Ephemeris diese Ansicht nicht bestätigt
und dass sich mit Fürsts These zudem nicht erklären lässt, warum die Chronographia
auch Porträts von Heroen enthält, die nicht mit dem Troja-Mythos in Verbindung
stehen.21 Das Hauptproblem erwähnt er dabei noch gar nicht: Heroenporträts werden
in der Ephemeris des Septimius gar nicht überliefert.22 Elizabeth und Michael Jeffreys
haben die offene Frage durch eine hypothetische weitere Überarbeitungsstufe zu lösen
versucht, in welcher die griechische Diktys-Version um die Heroenporträts ergänzt
worden sei.23 Dagegen hat Peter Grossardt in einem jüngeren Aufsatz in die Waag-
schale geworfen, dass die lateinische Diktys-Version gegenüber dem Original starke
Kürzungen enthalte, weswegen er wieder von einer direkten Verwendung ausgeht.24
Auch diese Ergänzung erklärt aber noch nicht, woher Malalas die Apostel- und Kai-
serporträts hat, für die eine Herkunft aus einer Troja-Geschichte ganz sicher nicht
in Betracht kommt. Jeffreys und Jeffreys denken als Vorlage für erstere an christliche
Apokryphen, für letztere in Anlehnung an die Quellenforschungen Alexander Schenk
von Stauffenbergs an eine Liste knapper Kaiserviten.25 Damit ergäbe sich in der Re-
konstruktion eine ganze Serie möglicher Quellen, die von Malalas alle kombiniert
worden sein müssten.
Die zweite Möglichkeit, eine Erfindung durch Malalas, ist ebenfalls früh diskutiert
worden. Prominent vertreten wurde die Ansicht bereits von Patzig: Er verweist auf die
hohe Kohärenz der Passagen in Vokabular und Struktur, die eine Übernahme aus un-
terschiedlichen Quellen seiner Meinung nach nahezu unmöglich mache. Zudem ist
er der Meinung, dass die gelisteten Attribute an einigen Stellen dem Inhalt des über
die entsprechende Person Berichteten angeglichen wurden, weswegen Malalas hier
das Gelesene selbst weiterverarbeitet haben müsse.26 Ähnliche Überlegungen haben
in jüngerer Zeit auch Jean-Michel Carrié und Warren Treadgold geäußert, jedoch aus

20 Fürst (1902), S. 597; 619-620; so auch Misener (1924), S. 120.

21 Patzig (1904), S. 178-179. Vgl. die Porträts der Phaidra und des Hippolytos in Malalas, Chronographia
IV19.

22 So schon der Einwand von Schissel von Fleschenberg (1908), S. 20; vgl. Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 243.

23 Dass sie überhaupt von einer Verwendung des Diktys ausgehen, liegt an einem direkten Verweis auf
Diktys in Malalas, Chronographia V 10. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine Quellenangabe
im Wortsinne. Malalas hängt an die Liste der Heroenporträts vielmehr folgende Formel an: „wie der
sehr weise Diktys [...] aufgezeichnet hat“ (καθώς ό σοφώτατος Δίκτυς [...] ύπεμνημάτισεν;
Übers. Thurn/Meier 2009, S. 129). Dem Wortlaut nach behauptet Malalas also, dass man das zuvor
Gesagte auch bei Diktys finden könne - nicht, dass er selbst seine Informationen aus Diktys’ Werk
gezogen habe. Die Formel kann also ebenso gut auf indirekte wie auf direkte Nutzung verweisen. Es
sei zudem darauf hingewiesen, dass Malalas im Zusammenhang mit den Porträts der Phaidra und des
Hippolytos (vgl. Anm. 22) einen ähnlichen Verweis bietet, der sich hier aber auf Domninos bezieht.

24 Grossardt (2006), S. 449-454; zur These von Jeffreys und Jeffreys S. 451. Zustimmend Gainsford (2012),
S. 67 mit Anm. 39.

25 Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 243; Jeffreys (1990a), S. 142; vgl. Schenk von Stauffenberg (1931), S. 508.

26 Patzig (1904), S. 177-179.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften