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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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II. Memoria und Kaisertum
DOI Kapitel:
Borsch, Jonas: Schriftliche Bildnisse: Personalisierte Erinnerung in Malalas' Portäts
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0058
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Schriftliche Bildnisse. Personalisierte Erinnerung in Malalas’ Porträts

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4. Physische Personendarstellungen in der antiken Tradition
Die Tradition,30 aus der sich Beschreibungen wie die bei Malalas erhaltenen womög-
lich herleiten lassen, ist bereits von Fürst, Misener oder Evans erfasst, seitdem aller-
dings nur noch kursorisch thematisiert worden.31 Eine Arbeit, die die Behandlung von
Gesichtern und Körpern in der griechischen und römischen Literatur im Rahmen
zeitgenössischer Mentalitäten und Diskurse auf breiter Basis kontextualisieren würde,
steht m.W. bislang noch aus. Auch an dieser Stelle kann eine solch umfassende Leis-
tung nicht erbracht werden. Zumindest aber erscheint es angebracht, einen kurzen
Überblick über die relevanten Entwicklungen und insbesondere über mögliche Vor-
läufer und Verwandte des bei Malalas zu findenden Materials zu geben.
Darstellungen von menschlichen Gesichtern und Körpern sind in der griechisch-
römischen literarischen Tradition von frühester Zeit an greifbar; sie betreffen gerade
die auch von Malalas porträtierten Heroen des trojanischen Krieges. So wird im zwei-
ten Gesang der Ilias der Hetzer Thersites in einer berühmten Passage als grotesk-
hässlicher Antiheld in Szene gesetzt.32 In der Teichoskopie im dritten Gesang werden
demgegenüber die Helden Agamemnon, Odysseus, Aias und Idomeneus von Priamos
alleine aufgrund ihrer prachtvollen Erscheinung als herausragende Männer erkannt.33
Aussehen und innere Gesinnung stehen somit bei Homer in einem engen Wechsel-
verhältnis.34 Die Stellen, an denen Fragen der äußeren Erscheinung explizit themati-
siert werden, bleiben in Ilias und Odyssee allerdings selten; von einem systematischen
Interesse an der menschlichen Physiognomie kann man hier nicht sprechen.35 Ein
solches Interesse - namentlich für die Beeinflussung der Physis durch natürliche und

30 Diesen Begriff versteht Walter (2004), S. 13, Anm. 11 „als Sonderfall von Kommunikation, bei dem Nach-
richten nicht wechselseitig und horizontal ausgetauscht, sondern vertikal zerdehnt sind und entlang der
Zeitlinie über das Drei-Generationen-Gedächtnis hinaus als kulturelles Erbe' weitergegeben werden.“
Im Kontext des hiesigen Aufsatzes steht dabei die Schriftlichkeit im Vordergrund: Zentral steht das
Fortleben literarischer Motive. „Tradition“ besitzt gleichzeitig auch einen schöpferischen Aspekt, da der
Erinnerung ein gezielter Akt der Auswahl vorangeht, der nicht zuletzt Machtstrukturen reflektieren
kann. Assmann (1992), S. 34 hält den Begriff in diesem Zusammenhang für problematisch, da er Konti-
nuitäten betont und „den Bruch [verschleiert], der zum Entstehen von Vergangenheit führt“. Mit Blick
auf das Fortleben literarischer Einzelmotive erscheint mir seine Verwendung dennoch vertretbar.

31 Fürst (1902), S. 377-397; Misener (1924), S. 103-121 unter dem prägnanten Stichwort des „Ikonismus“;
Evans (1935), S. 47-51 zur griechischen Physiognomik; S. 51-57 zu deren Einflüssen auf die lateinische
Geschichtsschreibung; dazu auch knappe Zusammenfassung bei Carrié (2006), S. 197-198; ausführlich
Rohrbacher (2010).

32 Homerus, Ilias II 212-219.

33 Homerus, Ilias III121-244.

34 Zum Körper in der Ilias Lostoriat-Delabroise (2001); Mehl (2008). Ob die homerischen Schriften als
Vorläufer späterer Körperdarstellungen im engeren Sinne zu verstehen sind, ist unterschiedlich bewer-
tet worden. Für Fürst (1902), S. 382 sind die Schriften vorhellenistischer Zeit, unter denen er insbeson-
dere Homer hervorhebt, „in Schilderung der körperlichen Erscheinung“ noch durch größte „Enthalt-
samkeit“ geprägt. Misener (1924), S. 103 sieht in Homer hingegen den ersten Vertreter der literarischen
Tradition des „iconismos“·, dazu zustimmend Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 241-242.

35 Dem entsprechen die Ergebnisse der Analyse (und Kontextualisierung) des körperlichen Vokabulars
Homers durch Snell (1946), S. 19-22: Der Körper wird demnach im archaischen Denken stärker als
Summe seiner Glieder aufgefasst denn als Entität.
 
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