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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Editor]; Gengler, Olivier [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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II. Memoria und Kaisertum
DOI chapter:
Mecella, Laura: Antiochia und die historische Erinnerung an die Römisch-Parthischen Kriege
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0089
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Laura Mecella

erwähnte Eroberung der Stadt im Jahr 253 denken, die vor allem in den östlich gepräg-
ten Quellen {Oracula Sibyllina, Libanios, Ammianus Marcellinus) großen Widerhall
fand: Auch bei dieser Gelegenheit waren es wahrscheinlich die Antiochener, die den
Persern die Tore geöffnet haben.22 Aus unterschiedlichen Gründen erscheint diese
Rekonstruktion jedoch wenig glaubwürdig: Der hier untersuchte Abschnitt spricht
von einer Dauerbelagerung der Stadt, nicht von einem einzelnen Angriff; während im
3. Jahrhundert die Kapitulation der Antiochener die Stadt nicht vor der Plünderung
schützte, erscheint das Zusammenleben mit den Eindringlingen vor Trajans Befehl als
vollkommen friedlich; und auch in Bezug auf den bewaffneten Widerstand gegen die
Perser gibt Malalas’ Erzählung über den Feldzug Sâbuhrs I. ein vollkommen anderes
Geschehen wieder. In diesem Fall waren es nämlich die Bauern von Emesa unter
Führung des Priesters Sampsigeramos, die laut Malalas den Feind zurückgeschlagen
hätten. Es ist alles in allem sehr unwahrscheinlich, dass ein- und derselbe Feldzug
Sâbuhrs in der Chronographia auf so gegensätzliche Weise erzählt wird.
Ganz anders erscheint die Erklärung, die Gagé ausgearbeitet hat.23 In ihr wird der
politisch-militärische Faktor vollkommen ausgeblendet und der mystisch-religiöse As-
pekt der Erzählung in den Vordergrund gerückt. Gagé hält die von Trajan angeordne-
ten Reinigungsriten nach dem Massaker für den Schlüssel der Interpretation: Seiner
Ansicht nach spiegelten sie die Maßnahmen nach dem Erdbeben 115 wider, die Trajan
selbst verlangt habe.24 Geleitet durch böse Vorahnungen nach dem Beben habe der
Kaiser auf Drängen einiger Hofmitglieder das Orakel von Heliopolis befragt, ob er
jemals aus dem Krieg zurückkehren werde: Laut der Erzählung von Macrobius habe
der Gott als Antwort einen in ein Leichentuch eingewickelten zerstückelten Zenturio-
nenstab geschickt.25 Gagé weist die offensichtlichere und von Macrobius selbst dar-
gelegte Interpretation des Orakels zurück, wonach es sich um eine Anspielung auf
den Tod Trajans im Osten handele (nach Rom sollten nur die Knochen des Impera-
tor zurückkehren). Gagé hält es vielmehr für eine Warnung im Zusammenhang mit

22 A. von Gutschmid apud Dierauer (1868), S. 156-157, in Anm.; derselben Ansicht Guey (1937), S. 47-49,
123. Die bei von Gutschmid angegebene zeitliche Fixierung der Ereignisse auf das Jahr 256 rührt von
der Unsicherheit bei der Datierung der Belagerungen von Antiochia im Laufe des 3. Jahrhunderts
(dazu siehe oben, Anm. 2): der Hinweis auf Cyriades/Mareades beweist jedoch, dass sich der Wissen-
schaftler auf die erste Belagerung der Stadt und nicht auf die des Jahres 260 bezog. Für eine eingehende
Analyse des Ereignisses mit sachdienlichen Bezügen auf die parallelen Quellen und weiterführender
Literatur verweise ich auf Mecella (2009), wo unter anderem Hartmanns (2006) These einer Herrschaft
des Mareades in Antiochia mit der persischen Unterstützung nach dem Feldzug des Jahres 260 wider-
legt wird.

23 Gagé (1968), S. 173-212 {Trajan en Syrie et l’oracle d’Héliopolis). Seine Rekonstruktion wurde kürzlich von
Decrept (2006), S. 7-9 wieder aufgenommen.

24 Gagé (1968) datiert das Erdbeben jedoch auf das Jahr 114; zur Diskussion über die Datierung des Er-
eignisses siehe oben, Anm. 12.

25 Macrobius, Saturnalia I 23,14-16: Sic et Imperator Traianus initurus ex ea provincia Partbiam cum exercitu
constantissimae religionis hortantibus amicis, qui maxima huiusce numinis ceperant expérimenta, ut de eventu
consider et rei coeptae [...]. Tune aliis codicillis conscriptis signatisque consuluit, an Romamperpetuo bello re-
diturus esset? Vitem centurialem deus ex muneribus in aede dedicatis deferri iussit, divisamque in partes suda-
rio condi acproinde ferri. Exitus rei obitu Traiana apparuit ossibus Romam relatis. Nam fragmentis species
reliquiarum, vitis argumenta casus futuri tempus ostensum est.
 
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