Johannes Malalas und die Rezeption des Konzils von Chalkedon
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schlossen, die wohl Kaiser Markian (450-457) auf die Agenda der Kirchenväter gesetzt
hatte, aber die Okumenizität des Konzils konnte nicht durchgesetzt werden.
Juvenal von Jerusalem (422-458), altgedienter Verbündeter des alexandrinischen
Bischofsstuhls, hatte sich in einer aufsehenerregenden Volte während des Konzils
von Dioskoros von Alexandria (444-451) losgesagt, und alle Beschlüsse von Chalke-
don mitgetragen. Dafür wurde er bei seiner Rückkehr nach Palästina von entrüsteten
Mönchen empfangen, die ihn als Verräter am Glauben ansahen und am Einzug nach
Jerusalem hinderten.19 Diese „Palestinian Insurrection“, wie Ernest Honigmann es
nannte, dauerte weniger als zwei Jahre, aber die Ermordung eines chalkedonischen
Metropoliten (Severianus von Skythopolis) und die Ordinierung nichtchalkedoni-
scher (Gegen)Bischöfe für Jerusalem und weitere Orte in Palästina zeigen exemp-
larisch, wie tief die Gräben zwischen Anhängern und Gegnern des Konzils waren.20
Auch in Syrien bildeten sich in den folgenden Jahrzehnten starke Widerstands-
zentren, ab 485 unter der intellektuellen Führerschaft des Metropolitanbischofs Philo-
xenus von Mabbug/Heliopolis (485-521).21 Stammland und bedeutendste Provinz des
Widerstandes gegen das Konzil von Chalkedon war aber zweifellos Ägypten. Zwar
saß nach der Absetzung des Dioskoros durch das Konzil von Chalkedon mit Prote-
rius (451-457) ein Patriarch auf dem Stuhl von Alexandria, der das Konzil und seine
Beschlüsse anerkannte,22 aber seine Ermordung nach dem Tode Kaiser Markians ver-
deutlicht, dass ein chalkedonischer Patriarch einen schweren Stand in Ägypten hatte.23
In der nichtchalkedonischen Literatur der Zeit erfuhr das Konzil von Chalkedon
eine nachhaltige Dämonisierung. Für Timotheos Ailouros, den nichtchalkedonischen
Nachfolger des Proterius auf dem Patriarchenstuhl, kommt Chalkedon in die Welt,
weil dem Widersacher Gottes, dem „Teufel“, die Kirche zu friedlich erschien.24 Mit
Berufung auf Timotheos führt ein paar Jahrzehnte später Johannes Rufus, nichtchal-
kedonischer Bischof von Maiuma, weiter aus, daß der Widersacher Chalkedon als
Vorbereitung für den Antichristen organisiert habe (2 Thess 2,3-10).25
Die wichtigsten Protagonisten der Nichtchalkedonier erhalten nach und nach
Heiligenstatus - z.T ohne ein einziges Wunder bewirkt zu haben, sondern allein ih-
rem Widerstand gegen das Konzil, die chalkedonische Reichskirche und Papst Leo,
der zu einer Reizfigur der Nichtchalkedonier wurde, geschuldet. Dioskoros’ Vita hat
19 Für Juvenal siehe immer noch Honigmann (1950).
20 Für Palästina und die Nichtchalkedonier siehe Steppa (2002) und Horn (2006).
21 Für Philoxenus siehe insbesondere Michelson (2014).
22 Als Erzpriester oder Verwalter der Kirche von Alexandria war Proterius sicherlich ein Vertrauter des
Dioskoros vor 451 und anerkannte das Konzil wahrscheinlich aus opportunistischen Gründen; siehe
Siebigs (2010), S. in.
23 Siebigs (2010), S. 288-293.
24 Textes Monophysites, ed. Nau, S. 205.
25 Johannes Rufus, Plerophoriae, ed. Nau, S. 67. Wahrscheinlich schrieb Johannes Rufus das Werk kurz
nach 512. Die genauen Lebensdaten des Johannes Rufüs sind nicht bekannt. Kurzer Überblick in
Steppa (2011), 231-232. Siehe auch Johannes Rufus, Plerophoriae, ed. Nau, S. 154 für eine weitere Vision.
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schlossen, die wohl Kaiser Markian (450-457) auf die Agenda der Kirchenväter gesetzt
hatte, aber die Okumenizität des Konzils konnte nicht durchgesetzt werden.
Juvenal von Jerusalem (422-458), altgedienter Verbündeter des alexandrinischen
Bischofsstuhls, hatte sich in einer aufsehenerregenden Volte während des Konzils
von Dioskoros von Alexandria (444-451) losgesagt, und alle Beschlüsse von Chalke-
don mitgetragen. Dafür wurde er bei seiner Rückkehr nach Palästina von entrüsteten
Mönchen empfangen, die ihn als Verräter am Glauben ansahen und am Einzug nach
Jerusalem hinderten.19 Diese „Palestinian Insurrection“, wie Ernest Honigmann es
nannte, dauerte weniger als zwei Jahre, aber die Ermordung eines chalkedonischen
Metropoliten (Severianus von Skythopolis) und die Ordinierung nichtchalkedoni-
scher (Gegen)Bischöfe für Jerusalem und weitere Orte in Palästina zeigen exemp-
larisch, wie tief die Gräben zwischen Anhängern und Gegnern des Konzils waren.20
Auch in Syrien bildeten sich in den folgenden Jahrzehnten starke Widerstands-
zentren, ab 485 unter der intellektuellen Führerschaft des Metropolitanbischofs Philo-
xenus von Mabbug/Heliopolis (485-521).21 Stammland und bedeutendste Provinz des
Widerstandes gegen das Konzil von Chalkedon war aber zweifellos Ägypten. Zwar
saß nach der Absetzung des Dioskoros durch das Konzil von Chalkedon mit Prote-
rius (451-457) ein Patriarch auf dem Stuhl von Alexandria, der das Konzil und seine
Beschlüsse anerkannte,22 aber seine Ermordung nach dem Tode Kaiser Markians ver-
deutlicht, dass ein chalkedonischer Patriarch einen schweren Stand in Ägypten hatte.23
In der nichtchalkedonischen Literatur der Zeit erfuhr das Konzil von Chalkedon
eine nachhaltige Dämonisierung. Für Timotheos Ailouros, den nichtchalkedonischen
Nachfolger des Proterius auf dem Patriarchenstuhl, kommt Chalkedon in die Welt,
weil dem Widersacher Gottes, dem „Teufel“, die Kirche zu friedlich erschien.24 Mit
Berufung auf Timotheos führt ein paar Jahrzehnte später Johannes Rufus, nichtchal-
kedonischer Bischof von Maiuma, weiter aus, daß der Widersacher Chalkedon als
Vorbereitung für den Antichristen organisiert habe (2 Thess 2,3-10).25
Die wichtigsten Protagonisten der Nichtchalkedonier erhalten nach und nach
Heiligenstatus - z.T ohne ein einziges Wunder bewirkt zu haben, sondern allein ih-
rem Widerstand gegen das Konzil, die chalkedonische Reichskirche und Papst Leo,
der zu einer Reizfigur der Nichtchalkedonier wurde, geschuldet. Dioskoros’ Vita hat
19 Für Juvenal siehe immer noch Honigmann (1950).
20 Für Palästina und die Nichtchalkedonier siehe Steppa (2002) und Horn (2006).
21 Für Philoxenus siehe insbesondere Michelson (2014).
22 Als Erzpriester oder Verwalter der Kirche von Alexandria war Proterius sicherlich ein Vertrauter des
Dioskoros vor 451 und anerkannte das Konzil wahrscheinlich aus opportunistischen Gründen; siehe
Siebigs (2010), S. in.
23 Siebigs (2010), S. 288-293.
24 Textes Monophysites, ed. Nau, S. 205.
25 Johannes Rufus, Plerophoriae, ed. Nau, S. 67. Wahrscheinlich schrieb Johannes Rufus das Werk kurz
nach 512. Die genauen Lebensdaten des Johannes Rufüs sind nicht bekannt. Kurzer Überblick in
Steppa (2011), 231-232. Siehe auch Johannes Rufus, Plerophoriae, ed. Nau, S. 154 für eine weitere Vision.