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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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III. Ausformungen kirchlicher memoria
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Menze, Volker: Johannes Malalas, die Rezeption des Konzils von Chalkedon und die christlichen milieux de mémorie im 6. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0140
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Johannes Malalas und die Rezeption des Konzils von Chalkedon

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sehe Regeln für Kleriker und Mönche beinhalten, erscheinen im griechischen Text
des Konzils in der siebten Sitzung.34 Sie sind aber von keinem Konzilsteilnehmer
unterschrieben worden, und Michael Gaddis und Richard Price nehmen an, dass sie
nie auf dem Konzil debattiert wurden, sondern von Anatolios von Konstantinopel im
Anschluss an das Konzil herausgegeben wurden.35 Es ist also davon auszugehen, dass
diese 27 Kanones von Konstantinopel an alle Kirchen verschickt und anscheinend
auch anstandslos akzeptiert worden sind, da sie Missstände beseitigen wollten, die
unabhängig von doktrinären Streitigkeiten jede Kirche treffen konnten. Nichtsdes-
totrotz ist die Aufnahme der disziplinarischen Regeln unter dem Titel des Konzils
von Chalkedon in der syrisch-orthodoxen Tradition bemerkenswert, wenn man die
Dämonisierung des Konzils in den narrativen Texten bedenkt.36 Anders ausgedrückt:
trotz aller öffentlicher - auch polemischer - Ablehnung des Konzils, fanden die diszi-
plinarischen Regeln, die Chalkedon aufstellte, bei den Nichtchalkedoniern und später
bei den Syrisch-Orthodoxen problemlos Akzeptanz und Anwendung.
Jenseits des öffentlichen polemischen Kontextes wurde das Konzil von Chalkedon
auch bei einem Religionsgespräch 532 in Konstantinopel diskutiert. Kaiser Justinian
lud sechs nichtchalkedonische und sechs chalkedonische Bischöfe nach Konstanti-
nopel ein, damit die beiden Gruppen ihre Differenzen diskutieren konnten. Da sich
Berichte von beiden Seiten - in Latein bzw. Syrisch - erhalten haben, bekommen
Forscher einen exzellenten Einblick, was beide Seiten an Vorwürfen an die Gegner
richteten bzw. was sie zu ihrer Verteidigung vorbrachten.37 Anders als die für den öf-
fentlichen Diskurs bestimmten Texte wie die Heiligenleben, legen die beiden erhalte-
nen Berichte - wenn auch deutlich voreingenommen und parteiisch - ungeschminkt
die Konfliktpunkte zwischen den beiden Parteien offen.38
Das Treffen fand in Anwesenheit und unter Leitung eines kaiserlichen Gesandten
statt, der auch an den Kaiser berichten sollte. Es war ein „nicht-offizielles“ Gespräch,
denn der kaiserliche Gesandte lehnte eine Protokollierung, die die nicht-chalkedo-
nischen Bischöfe forderten, ab.39 Die einzelnen Streitpunkte der beiden Seiten - es
ging vor allem um Protagonisten der doktrinären Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts:

34 ACO II 1,2, S. 158-163.

35 Price/Gaddis (2005), Bd. 3, S. 92. Der berühmte sogenannte 28. Kanon erscheint lediglich in der De-
batte der 16. Sitzung, in der die päpstlichen Legaten dem Kanon die Legitimität absprechen (vor allem
in der lateinischen Version - die griechische scheint die päpstlichen Einsprüche glätten zu wollen;
siehe Price/Gaddis (2005) Bd. 3, S. 84-91).

36 Schwartz verdeutlicht, dass Glaubensbekenntnis, Kanones und Subskriptionslisten unabhängig von
den redigierten Akten des Konzils zirkulierten: Schwartz (1937), S. 88-89. Für eine Edition der syri-
schen Kanonessammlungen siehe Schulthess (1908) mit Schwartz (1936).

37 Das Gespräch ist in der Literatur schon diskutiert worden: Brock (1981) mit syrischen Text und Über-
setzung der nichtchalkedonischen Berichtes; der lateinische Bericht des Innocentius findet sich in
ACO IV 2, S. 169-84; siehe auch Speigl (1984) und Menze (2008), S. 58-105.

38 Der syrische Bericht klingt insgesamt vertrauenswürdiger als der Innocentius’, da in Innocentius’ Dar-
stellung die chalkedonischen Bischöfe ihre Gegner mit Fragen vor sich hertreiben und diese anschei-
nend unfähig sind, Paroli zu bieten. Der syrische Bericht ist zwar auch parteiisch gefärbt, aber sowohl
Angriffsziele wie auch die Verteidigungslinien beider Seiten werden deutlich.

39 Conversations with the Syrian Orthodox, ed. Brock, S. 96-97.
 
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