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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Editor]; Gengler, Olivier [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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III. Ausformungen kirchlicher memoria
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Menze, Volker: Johannes Malalas, die Rezeption des Konzils von Chalkedon und die christlichen milieux de mémorie im 6. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0142
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Johannes Malalas und die Rezeption des Konzils von Chalkedon 141

wahrscheinlich sofort nach Rom ab, um Leo den Brief des Konzils zu übergeben.43
Kaiser Markian und Patriarch Anatolios schickten weitere Briefe und eine Delegation
unter Bischof Lukian von Bizye am 18. Dezember 451 nach Rom.44 Insgesamt schickte
Anatolios zwei Delegationen, die einerseits χάρτας mit τά πεπραγμένα des Kon-
zils und andererseits όφείΛοντας χάρτας mit dem Glaubensbekenntnis überbrin-
gen sollten.45
Eine Antwort blieb Leo dem Konzil, dem Kaiser und dem Patriarchen zunächst
wohl schuldig. Dass sein Glaubensbekenntnis sich am Konzil durchgesetzt hatte,
dürfte den Papst natürlich mit Befriedigung erfüllt haben. Denn theologisch war das
Konzil ein vollständiger Sieg für Leo, der neben Kyrill von Alexandria zur (wenn
auch im Osten umstrittenen) Referenzgröße aufstieg. Allerdings hatte sich eine Front
eröffnet, die weder der Papst noch seine Delegierten erwartet hatten: das Bistum von
Konstantinopel, das sich schon unter Johannes Chrysostomos (398-404) in Bischofs-
wahlen in Asia Minor eingemischt hatte, wurde praktisch zum Patriarchat erhoben
und nur Rom sollte noch einen Ehrenvorrang innehaben.46 Es erhielt damit eine neue
Vorrangstellung im Osten - unter Berufung auf Kanon 3 des zweiten Konzils von
Konstantinopel von 381.
Der Papst dürfte sich zunächst ziemlich überfahren gefühlt haben, hatte er bisher
nicht einmal eine Ahnung, dass ein solcher Kanon existierte, da das Konzil von Kons-
tantinopel im Westen nie rezipiert wurde.47 Rom beharrte auf der Gültigkeit der Ka-
nones von Nizäa, dessen sechster Kanon Alexandria den zweiten Platz nach Rom ein-
räumte, aber für eine qualifizierte Antwort an Konstantinopel hätte der Papst sicher
gerne den genauen Wortlaut des Konzils gelesen. Das scheint allerdings nicht möglich
gewesen zu sein, da Leo kein Griechisch konnte und noch am 11. März 453 - also fast
eineinhalb Jahre nach dem Konzil! - in einem Brief seinen Vertrauten, Bischof Julian
von Kos, bat, ihm die gesta des Konzils zu übersetzen.48
Konstantinopel zeigte sich erheblich irritiert, dass der Papst Chalkedon nicht of-
fiziell guthieß - dies umso mehr als man inzwischen mit dem entschlossenen Wider-

43 Siehe die Diskussion um das Datum der letzten Sitzung in Price/Gaddis (2005) Bd. 3, S. 72-73; ACO
II 1,3, S. 116-118 (Price/Gaddis (2005) Bd. 3, S. 120-124); für die lateinischen Versionen siehe Price/
Gaddis (2005) Bd. 3, S. 120 Anm. 60. Dieser Brief ist in seiner lateinischen Fassung von 65 Bischöfen
unterschrieben.

44 ACO II 4, S. 167-168 und ACO II 1,2, S. 52-54; Der Brief des Patriarchen ist nicht datiert, muss aber -
da es ganz offensichtlich mit der selben Delegation nach Rom ging - um den 18. Dezember 451 verfasst
worden sein; siehe auch Price/Gaddis (2005) Bd. 3, S. 138 Anm. 113.

45 ACO II i, S. 248 (Price/Gaddis (2005) Bd. 3, S. 139 n. 114 interpretieren Anatolios’ Umschreibung von
seiner eigenen Arbeit als die (Glaubens)Definition von Chalkedon). Leo ließ sich von der Delegation
des Anatolios nicht überzeugen, obwohl sie sich nach päpstlicher Aussage redlich Mühe gab (ACO II
4, S. 62).

46 Diskussion der Akten und der Politik Konstantinopels in Keßler (2011), S. 216-228. Soweit ich sehe,
wird der Titel „Patriarch“ nicht in den zeitgenössischen Quellen gebraucht, aber darauf lief der soge-
nannte 28. Kanon von Chalkedon hinaus.

47 Die Proteste der päpstlichen Legaten wurden in den Akten von Chalkedon auch notiert; für das Kon-
zil in Konstantinopel 381 und seine Rezeption im Westen siehe de Vries (1973).

48 Leo ep. 113: Brief an Julian von Kos vom 11. März 453 (ACO II4, S. 65-67).
 
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