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Sebastian Watta
Informationen umrissen.3 Das kulturelle Gedächtnis fußt laut Jan Assmann zwar ge-
nerell auf der kulturell-medialen und rituellen Fassung der Erinnerung4, wie sie sich
in den Schriftquellen etwa in der Erwähnung theologisch-exegetischer, liturgischer
und normativer Aspekte widerspiegelt, allerdings kann diese Fassung und Gestaltung
der memoria sich unterschiedlicher Medien bedienen. Es gilt also, neben der Auswer-
tung der schriftlichen Überlieferung auch die materielle Kultur für eine solche men-
talitätsgeschichtliche Frage heranzuziehen.5 Im Hinblick auf Erinnerungsphänomene,
die sich im Zusammenhang mit Kirchenbauten der Spätantike manifestieren, sind es
damit die Architekturen selbst, in ihrer architektonischen Ausführung, ihrer Ausstat-
tung und ihrer Nutzung im Kontext des Ritus, die weitergehende Aussagen erlauben.
Bodenmosaiken als ortsfeste Komponente der Raumausstattung spätantiker und früh-
byzantinischer Kirchenbauten stellen hier ein lohnendes Untersuchungsfeld dar, wobei
gerade der Nahe Osten eine besonders reiche Befundlage bietet.6 Mosaikpavimente
des Nahen Ostens binden in ihrer vielschichtigen Gestaltung diverse Medien ein und
vermitteln mit ihrer Hilfe unterschiedliche Aspekte christlicher Erinnerungspraxis.
Hierbei muss die Konzeption und materielle Umsetzung des Gestaltungsentwurfs als
Akt der Kommunikation verstanden werden; einer Kommunikation, die sich auf his-
torischer Ebene zwischen den Erbauern/Financiers der Kirchen samt ihrer Ausstat-
tung und den historischen Kirchenbesuchern abspielte. In der Folge möchte ich mich
an diesen spezifischen Aspekt der Raumausstattung der Kirchen annähern, indem ich
vom Großen ins Kleine fortschreite - vom Memorialort selbst über die dort durch die
Gemeinschaft der Gläubigen vollzogene Erinnerungshandlung bis hin zu Formen der
memoria, die an die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft geknüpft waren.
Die Fülle christlich konnotierter Erinnerungsphänomene veranlasste Markschies
und Wolf dazu, das Christentum als „nichts anderes als eine große Topographie von
Erinnerungsorten“ zu bezeichnen. Hierbei bezogen sie sich allerdings auf einen stark
erweiterten Ortsbegriff, der neben tatsächlichen geographischen Arealen auch Hand-
lungen, Personen und Dinge einzuschließen in der Lage ist.7 Dennoch sind es in der
Spätantike gerade die geographischen Orte, mit denen man heilsgeschichtliche Er-
3 Siehe zu mittelalterlichen Erscheinungsformen etwa Oexle (1976) und Oexle (1995); Borgolte (2005).
4 Assmann (1988), bes. S. 12 mit dem Begriff der „Erinnerungsfiguren“ für diese Umsetzungen von Erin-
nerungen; Assmann fayj), passim, bes. S. 48-66.
5 Eine Auswertung der materiellen Kultur für religionssoziologische und -geschichtliche Fragestellun-
gen verfolgt auch die Forschungsrichtung der „material religion“, dazu Morgan (2010); Arweck/Keenan
(2006).
6 Mit Blick auf die mittelalterlichen kirchlichen Mosaikpavimente Italiens verfolgten diesen Ansatz in
der jüngeren Vergangenheit auch Lucy Donkin und Arturo Carlo Quintavalle. Während Donkin die
Memoria-Funktion der Mosaikböden vor allem unter dem Aspekt des liturgischen Totengedächtnisses
und dessen Verräumlichung im Flächendekor gegeben sah, betonte Quintavalle den Vergangenheits-
bezug in christlich konnotierten kosmologischen Programmen; Donkin (2009); Quintavalle (2009).
Mein Ansatz in diesem Text ist es, die verschiedenen Ebenen christlicher Erinnerungspraxis, die in den
nahöstlichen Ausstattungen zum Tragen kommen, zueinander in Beziehung zu setzen.
7 Markschies/Wolf (2010), S. n-13, Zitat S. 11. Angeknüpft wird hierbei an das von Pierre Nora entwi-
ckelte und seither mehrfach adaptierte Konzept der „lieux de mémoire“; Nora (1984-1992). Eine pro-
grammatische Einführung in das Gesamtwerk bietet Nora (1984).
Sebastian Watta
Informationen umrissen.3 Das kulturelle Gedächtnis fußt laut Jan Assmann zwar ge-
nerell auf der kulturell-medialen und rituellen Fassung der Erinnerung4, wie sie sich
in den Schriftquellen etwa in der Erwähnung theologisch-exegetischer, liturgischer
und normativer Aspekte widerspiegelt, allerdings kann diese Fassung und Gestaltung
der memoria sich unterschiedlicher Medien bedienen. Es gilt also, neben der Auswer-
tung der schriftlichen Überlieferung auch die materielle Kultur für eine solche men-
talitätsgeschichtliche Frage heranzuziehen.5 Im Hinblick auf Erinnerungsphänomene,
die sich im Zusammenhang mit Kirchenbauten der Spätantike manifestieren, sind es
damit die Architekturen selbst, in ihrer architektonischen Ausführung, ihrer Ausstat-
tung und ihrer Nutzung im Kontext des Ritus, die weitergehende Aussagen erlauben.
Bodenmosaiken als ortsfeste Komponente der Raumausstattung spätantiker und früh-
byzantinischer Kirchenbauten stellen hier ein lohnendes Untersuchungsfeld dar, wobei
gerade der Nahe Osten eine besonders reiche Befundlage bietet.6 Mosaikpavimente
des Nahen Ostens binden in ihrer vielschichtigen Gestaltung diverse Medien ein und
vermitteln mit ihrer Hilfe unterschiedliche Aspekte christlicher Erinnerungspraxis.
Hierbei muss die Konzeption und materielle Umsetzung des Gestaltungsentwurfs als
Akt der Kommunikation verstanden werden; einer Kommunikation, die sich auf his-
torischer Ebene zwischen den Erbauern/Financiers der Kirchen samt ihrer Ausstat-
tung und den historischen Kirchenbesuchern abspielte. In der Folge möchte ich mich
an diesen spezifischen Aspekt der Raumausstattung der Kirchen annähern, indem ich
vom Großen ins Kleine fortschreite - vom Memorialort selbst über die dort durch die
Gemeinschaft der Gläubigen vollzogene Erinnerungshandlung bis hin zu Formen der
memoria, die an die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft geknüpft waren.
Die Fülle christlich konnotierter Erinnerungsphänomene veranlasste Markschies
und Wolf dazu, das Christentum als „nichts anderes als eine große Topographie von
Erinnerungsorten“ zu bezeichnen. Hierbei bezogen sie sich allerdings auf einen stark
erweiterten Ortsbegriff, der neben tatsächlichen geographischen Arealen auch Hand-
lungen, Personen und Dinge einzuschließen in der Lage ist.7 Dennoch sind es in der
Spätantike gerade die geographischen Orte, mit denen man heilsgeschichtliche Er-
3 Siehe zu mittelalterlichen Erscheinungsformen etwa Oexle (1976) und Oexle (1995); Borgolte (2005).
4 Assmann (1988), bes. S. 12 mit dem Begriff der „Erinnerungsfiguren“ für diese Umsetzungen von Erin-
nerungen; Assmann fayj), passim, bes. S. 48-66.
5 Eine Auswertung der materiellen Kultur für religionssoziologische und -geschichtliche Fragestellun-
gen verfolgt auch die Forschungsrichtung der „material religion“, dazu Morgan (2010); Arweck/Keenan
(2006).
6 Mit Blick auf die mittelalterlichen kirchlichen Mosaikpavimente Italiens verfolgten diesen Ansatz in
der jüngeren Vergangenheit auch Lucy Donkin und Arturo Carlo Quintavalle. Während Donkin die
Memoria-Funktion der Mosaikböden vor allem unter dem Aspekt des liturgischen Totengedächtnisses
und dessen Verräumlichung im Flächendekor gegeben sah, betonte Quintavalle den Vergangenheits-
bezug in christlich konnotierten kosmologischen Programmen; Donkin (2009); Quintavalle (2009).
Mein Ansatz in diesem Text ist es, die verschiedenen Ebenen christlicher Erinnerungspraxis, die in den
nahöstlichen Ausstattungen zum Tragen kommen, zueinander in Beziehung zu setzen.
7 Markschies/Wolf (2010), S. n-13, Zitat S. 11. Angeknüpft wird hierbei an das von Pierre Nora entwi-
ckelte und seither mehrfach adaptierte Konzept der „lieux de mémoire“; Nora (1984-1992). Eine pro-
grammatische Einführung in das Gesamtwerk bietet Nora (1984).