Materielle Erinnerung. Formen der memoria in den kirchlichen Mosaikpavimenten
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tion durchzogen.18 In besondererWeise in dieser Hinsicht auf die Person Jesu Christi
und ihr Handeln ausgerichtet ist das in der Eucharistie begangene Erinnern an das
Abschiedsmahl mit seinen Jüngern, eingeleitet und auch gefordert durch seine eige-
nen Worte „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19).19 Die Eucharistie wird in
Erinnerung an den Herrn gefeiert (εις τήν έμήν Ανάμνησιν; ι Kor 11,24). Hierbei
wird im Vollzug des Ritus der Vorstellung nach ein „wirkliches Gegenwärtigwerden
des Erinnerten“ bewirkt.20 Im Verlauf der Spätantike verschob sich dieser Aspekt des
Erinnerungsmahls zunehmend hin zur inhaltlichen Betonung des Opfercharakters
der Eucharistie, eine Deutung, die in unterschiedlichen Kontexten ihre mediale Um-
setzung fand.21
Das Bodenmosaik der Theotokoskapelle des Mosesheiligtums auf dem Berg Nebo
wurde im beginnenden 7. Jahrhundert verlegt (Abb. 3, 4).22 Im Mosaikfeld des Be-
mas schufen die ausführenden Handwerker eine Darstellung zweier Stiere und au-
ßen stehender Gazellen zuseiten einer Architekturabbreviatur, deren Einzelelemente
sie als Wiedergabe des Tempels in Jerusalem identifizierbar machen (Abb. 3).23 Diese
Bildidee steht in Verbindung mit einer darüber angebrachten Inschrift, einem Zi-
tat der Psalmpassage Ps 50 (51),21 τότε Ανοίσουσιν επί τό θυσιαστήριόν σου
μόσχους.24
Bild und Inschrift wurden damit in diesem Fall angewandt, um die Assoziation
des Kultortes in Jerusalem und der dort praktizierten Kulthandlung des Tieropfers
für JHWH einerseits inhaltlich einmalig für ihren Betrachter auf ihren Anbringungs-
ort zu beziehen, andererseits aber auch durch ihre materielle Umsetzung permanent
dort zu kommunizieren.25 Bezugnahmen auf das Alte Testament, mit deren Hilfe
der christliche Kirchenbau ausgedeutet, besonders aber in seinem Heiligkeitscharak-
ter bestimmt werden sollte, stellen eine weit verbreitete Strategie dar, die sich unter-
schiedlicher Medien und Kontexte bediente.26 Für den Spätantiken Betrachter ergab
18 Zu den Grundlagen rituellen Erinnerns in Judentum und Christentum siehe Arens (2003), S. 45-48.
19 Markschies/Wolf (2010), S. 21-24; Schilson (2006); Arens (2003), S. 49. Siehe auch Yasin (2009), S. 41-
44 zum spätantiken Verständnis der Eucharistie als nachvollziehendem Erinnerungsmahl und zum an
den Ritus gekoppelten Heiligkeitsverständnis.
20 Zitat Markschies/Wolf (2010), S. 19. Christliche Anamnese hat in Bezug auf das Opfer Jesu insofern
eine vergegenwärtigende Wirkung, dass in der Gruppe der feiernden Gemeinde und im erinnernden
Individuum dieses Gedächtnis „die ursprüngliche] Heilstat selbst wirksame [Gegenwart] werden“
lässt; Zitat Schilson (2006), Sp. 591.
21 Zur Umsetzung in der materiellen Kultur siehe z.B. Schrenk (1995), S. 186,197, 200 und passim; Bran-
ham (2012), S. 209.
22 Sailer (1941), S. 91-107, 233-241 Taf. 109-111; Piccirillo (1998), S. 300-304; Piccirillo (1997), S. 151
Abb. 198-200; Michel (2001), S. 338-339.
23 So erstmals Sailer (1941), S. 238.
24 Übersetzung: „Dann wird man Stiere auf deinem Altar opfern“; Gatier (1986), S. 92 Nr. 79; Di Segni
(1998), S. 434-435 Nr. 15.
25 Sailer (1941), S. 254-255,234-235; Gatier (1986), S. 92; Piccirillo (1989), S. 337; Piccirillo (1997), S. 40; Jäggi
(2007), S. 81,84; Watta (2015), S. 211-212.
26 Ousterhout (2010), S. 230. Branham (2012), bes. S. 209-213 und passim identifizierte eine von ihr als
„mapping“ charakterisierte Vorgehensweise, die dazu diente, Opfer- und Heiligkeitskonzepte von einer
Institution auf eine andere zu übertragen.
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tion durchzogen.18 In besondererWeise in dieser Hinsicht auf die Person Jesu Christi
und ihr Handeln ausgerichtet ist das in der Eucharistie begangene Erinnern an das
Abschiedsmahl mit seinen Jüngern, eingeleitet und auch gefordert durch seine eige-
nen Worte „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19).19 Die Eucharistie wird in
Erinnerung an den Herrn gefeiert (εις τήν έμήν Ανάμνησιν; ι Kor 11,24). Hierbei
wird im Vollzug des Ritus der Vorstellung nach ein „wirkliches Gegenwärtigwerden
des Erinnerten“ bewirkt.20 Im Verlauf der Spätantike verschob sich dieser Aspekt des
Erinnerungsmahls zunehmend hin zur inhaltlichen Betonung des Opfercharakters
der Eucharistie, eine Deutung, die in unterschiedlichen Kontexten ihre mediale Um-
setzung fand.21
Das Bodenmosaik der Theotokoskapelle des Mosesheiligtums auf dem Berg Nebo
wurde im beginnenden 7. Jahrhundert verlegt (Abb. 3, 4).22 Im Mosaikfeld des Be-
mas schufen die ausführenden Handwerker eine Darstellung zweier Stiere und au-
ßen stehender Gazellen zuseiten einer Architekturabbreviatur, deren Einzelelemente
sie als Wiedergabe des Tempels in Jerusalem identifizierbar machen (Abb. 3).23 Diese
Bildidee steht in Verbindung mit einer darüber angebrachten Inschrift, einem Zi-
tat der Psalmpassage Ps 50 (51),21 τότε Ανοίσουσιν επί τό θυσιαστήριόν σου
μόσχους.24
Bild und Inschrift wurden damit in diesem Fall angewandt, um die Assoziation
des Kultortes in Jerusalem und der dort praktizierten Kulthandlung des Tieropfers
für JHWH einerseits inhaltlich einmalig für ihren Betrachter auf ihren Anbringungs-
ort zu beziehen, andererseits aber auch durch ihre materielle Umsetzung permanent
dort zu kommunizieren.25 Bezugnahmen auf das Alte Testament, mit deren Hilfe
der christliche Kirchenbau ausgedeutet, besonders aber in seinem Heiligkeitscharak-
ter bestimmt werden sollte, stellen eine weit verbreitete Strategie dar, die sich unter-
schiedlicher Medien und Kontexte bediente.26 Für den Spätantiken Betrachter ergab
18 Zu den Grundlagen rituellen Erinnerns in Judentum und Christentum siehe Arens (2003), S. 45-48.
19 Markschies/Wolf (2010), S. 21-24; Schilson (2006); Arens (2003), S. 49. Siehe auch Yasin (2009), S. 41-
44 zum spätantiken Verständnis der Eucharistie als nachvollziehendem Erinnerungsmahl und zum an
den Ritus gekoppelten Heiligkeitsverständnis.
20 Zitat Markschies/Wolf (2010), S. 19. Christliche Anamnese hat in Bezug auf das Opfer Jesu insofern
eine vergegenwärtigende Wirkung, dass in der Gruppe der feiernden Gemeinde und im erinnernden
Individuum dieses Gedächtnis „die ursprüngliche] Heilstat selbst wirksame [Gegenwart] werden“
lässt; Zitat Schilson (2006), Sp. 591.
21 Zur Umsetzung in der materiellen Kultur siehe z.B. Schrenk (1995), S. 186,197, 200 und passim; Bran-
ham (2012), S. 209.
22 Sailer (1941), S. 91-107, 233-241 Taf. 109-111; Piccirillo (1998), S. 300-304; Piccirillo (1997), S. 151
Abb. 198-200; Michel (2001), S. 338-339.
23 So erstmals Sailer (1941), S. 238.
24 Übersetzung: „Dann wird man Stiere auf deinem Altar opfern“; Gatier (1986), S. 92 Nr. 79; Di Segni
(1998), S. 434-435 Nr. 15.
25 Sailer (1941), S. 254-255,234-235; Gatier (1986), S. 92; Piccirillo (1989), S. 337; Piccirillo (1997), S. 40; Jäggi
(2007), S. 81,84; Watta (2015), S. 211-212.
26 Ousterhout (2010), S. 230. Branham (2012), bes. S. 209-213 und passim identifizierte eine von ihr als
„mapping“ charakterisierte Vorgehensweise, die dazu diente, Opfer- und Heiligkeitskonzepte von einer
Institution auf eine andere zu übertragen.