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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
V. Memoria unter Justinian
DOI Kapitel:
Gengler, Oliver: Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwar in den Justinianischen Novellen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0243
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Olivier Gengier

nen sich besonders durch die Dichte und die Einheitlichkeit ihrer Hinweise auf die
glorreiche Vergangenheit Roms aus. Es gibt insgesamt dreizehn Reformgesetzestexte,
die innerhalb von gut einem Jahr zwei chronologischen Hauptphasen entsprechen:
Mai bis Juli 535 und März bis Juli 536. Alle diese Texte betreffen die Erhebung eines
Provinzstatthalters zu einem höheren Rang und die Konzentration von zivilen und
militärischen Mächten in seinen Händen, in einigen Fällen im Zusammenhang mit
der Neudefinition der Grenzen der betroffenen Provinz. Die Reform der Provinz-
verwaltung wurde durch ein Edikt vom 17. Mai 535 eingeleitet {Nov. 8). Zweck dieses
Textes ist es, dem Ämterkauf ein Ende zu bereiten und die Macht in verschiedenen
Provinzen umzugestalten, die fortan unter der Aufsicht eines comes stehen. Darauf
aufbauend beginnt mit der Nov. 24 ein ambitionierteres Programm, das neuere Ämter
einführt.2 Kumulative Rückverweise offenbaren die Einheitlichkeit des Programms.
Verantwortlich für die Vorbereitung der Gesetze war der quaestor sacri palatii. Von
spätestens September 529 bis Januar 532 und von Januar 535 bis spätestens Dezember 542
übte Tribonian dieses Amt aus. Er wurde während des Nika-Aufstands seines Amtes
entbunden und erst nach drei Jahren wieder zurückberufen, war aber schon ab No-
vember 533 als magister officiorum tätig und entwarf in der Zwischenzeit weitere Geset-
zestexte, wie Tony Honoré durch eine stilistische und inhaltliche Analyse gezeigt hat.3
Laut demselben Autor sind die historischen Hinweise ein Merkmal für die Autorschaft
Tribonians und finden sich nur in den Texten, die er entworfen hat.4 Es ist unmöglich,
den Entstehungsprozess dieser Texte bis ins Detail zu rekonstruieren und genau zu er-
kennen, inwieweit Justinian die Redaktionsarbeit beeinflusst hat.5 Allerdings: ein be-
stimmter Zusammenhang erklärt meiner Meinung nach, warum die memoria des alten
Rom in den justinianischen Gesetzen für eine kurze Zeit eine besondere Rolle spielte.
Dabei ist die Person des quaestor sacri palatii Tribonian nicht allein entscheidend. Auf
der Ebene der Enunziation ist der Ich-Erzähler mit Kaiser Justinian zu identifizieren.
Er ist der Adressant des Textes, der die Gesetze unterschreibt und erlässt. Ich gehe also
davon aus, dass Justinian die volle Verantwortung für ihren Inhalt übernimmt6 - und
wahrscheinlich sogar mehr als das, wie im Folgenden zu sehen sein wird.
Die Texte, die uns interessieren, folgen nicht immer einer gleichartigen Gliederung
und legen nicht den gleichen Wert auf verschiedene Aspekte der Reform; sie alle erklä-
ren aber systematisch die Notwendigkeit, die Struktur der Provinz bzw. der Provinzen
zu ändern. Sie vermitteln außerdem, welchen Titel und welchen Rang der zukünftige
Statthalter innehaben wird und gegebenenfalls, woher der verliehene Titel stammt.7

2 Die Nov. 24 ist ausdrücklich als das erste dieser Reformgesetze dargestellt: Nov. 24,1 (S. 190,24-25
Schöll/Kroll) mit Kruse (2015), S. 234.

3 Honoré (1978), bes. S. 47-64.

4 Honoré (1978), S. 252-253.

5 Vgl. Kruse (2018), S. 187. Procopius, Historia arcana 14,3 behauptet, dass Justinian sich in die Arbeit des
quaestor einmischte. Honoré (1978), S. 24 und 26 hält diese Äußerung für übertrieben.

6 So stimme ich diesbezüglich mit Maas (1986), Roueché (1998) und Kruse (2018) überein.

7 Hier interessiert uns der Diskurs, mit welchem der Kaiser diese Reformen einführt, und nicht ihr
Umfang, ihre Wirksamkeit oder ihre Folgen; siehe dafür z.B. mit Blick auf Kappadokien Métivier
(2005), bes. S. 87-128.
 
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