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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
V. Memoria unter Justinian
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Gengler, Oliver: Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwar in den Justinianischen Novellen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0256
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Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwart in den Justinianischen Novellen 255

es für Justinian notwendig war, die alte römische Sitte zu restaurieren, um die römi-
sche Macht und Autorität zurückzugewinnen.51 Es scheint mir, dass die (Rück)Erobe-
rung Afrikas, welche Justinian virtuell zum Kaiser des gesamten Römischen Reiches
machte, die Rhetorik der Reformgesetze inspiriert hat, sodass die Restaurierung der
Romanität und die Restaurierung der imperialen Macht eher voneinander abhängig
waren.
Die Nov. 45 genauso wie die Reformen des Senats im Januar und des Konsulats
im Dezember 537 machen auch deutlich, dass Justinian nicht auf eine Rückkehr der
alten Romanität abzielte. Der eigentliche Kern seiner Propaganda besteht darin, die
Gegenwart in der Kontinuität der römischen Vergangenheit einzuordnen und dafür
die passende memoria zu beschaffen.52 Die Gesetze nach 537 verfügen über keine ver-
gleichbaren historischen Einführungen, weil sich die Zeiten geändert hatten und ein
anderes Zeitalter Justinians angebrochen war.
Die Prooimia sind nicht die einzigen Propagandamittel des Kaisers,53 aber sie spie-
len sicherlich eine wichtige Rolle, insbesondere bei den gebildeten Eliten, die das
Reich verwalteten. Justinian hat für den Codex die Prooimia der Gesetze seiner Vor-
gänger kürzen lassen (C. Haec, pr. 2; C. Summa pr. i)54 - vielleicht nicht nur, weil sie
überflüssig waren, sondern vielleicht auch deshalb, weil sie ein unpassendes Bild des
Reiches hätten verbreiten können. Nicht nur Johannes Lydos, sondern auch Prokop
in seiner scharfen Kritik gegen Justinian und Jordanes zeigen, dass die Propaganda
gewirkt hat. Ich glaube, dass sie ebenfalls bei Malalas erkennbar ist: Die Chronogra-
phia selbst verbreitet ein teleologisches Geschichtsbild, das das Zeitalter Justinians als
einen, wenn nicht den Höhepunkt der Geschichte darstellt. Die Wirkung lässt sich
auch konkret fassen: So bieten etwa die Art und Weise, in der Malalas die Wanderung
des Palladiums von Troja über Rom nach Konstantinopel erzählt - in Parallele zur
Wanderung der ornamenta imperialia - {Chronographia V 12, VI 22-24, 29, VII ι, XIII
7), aber auch die Thematisierung des Purpur-Symbols {Chronographia II 8) Beispiele
dafür, dass der Chronist sich die w^orza-Propaganda des Justinian zu eigen gemacht
hat.55

51 Roueché (1998), S. 88: „It is in order to recover Roman power and authority that it is necessary to re-
cover the old Roman way of doing things: this seems central both to the work of Lydus and to Justin-
ian’s provincial reform legislation.“

52 Das gesamte legislative Werk von Justinian schließt sich dieser Perspektive an: siehe Pazdernik (2005).

53 Hunger (1964), S. 213.

54 Hunger (1964), S. 33-34 und 211: „Er war sich also bewusst, dass derartige Prooimia nichts zum Inhalt
der betreffenden Gesetze beitrugen und daher ohne Schaden für den Juristen wegbleiben konnten.“

55 Dieser Aspekt wird im Kommentar zur Chronik des Johannes Malalas systematisch behandelt. Zum
Purpur bei Malalas, Johannes Lydos und Cassiodor siehe den Beitrag von Raf Praet in diesem Band.
Im Gegensatz zu Praet scheint es mir, dass die Konvergenz zwischen diesen Autoren eher auf einen
gemeinsamen historischen Kontext als auf einen direkten Kontakt zurückzuführen ist.
 
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