Historische und theologische Diskurse in den lateinischen Chroniken
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c. 129); ebenfalls wird am Ende sehr emphatisch auf das neue, durch die Hunnen-
einfälle ausgelöste Elend im Osten des Reichs infolge der Plünderung von über 70
Städten {nova iterum Orienti consurgit ruina qua LXX non minus civitates Chunorum
depraedatione vastatae c. 132) hingewiesen. Nur einmal wird erwähnt, dass zwischen
den Barbaren und führenden römischen Politikern durchaus Beziehungen bestanden:
So hetzte Stilicho die Barbaren auf, weil er über die mangelnde Anerkennung seines
Sohnes empört war {maxime Stiliconis indigneferentisfilio suo regnum negatum c. 55).
Am Rande wird die Tatsache erwähnt, dass die Barbareneinfälle und ihre Etablie-
rung in ehemals von den Römern beherrschten Gebieten den aus dem Reich vertrie-
benen Arianern Auftrieb gaben (c. 51). Auf diese Korrelation zwischen den Barbaren
und den Arianern weist er auch am Ende hin: „In dieser Zeit ist der äußerst bekla-
genswerte Zustand des Staatswesens sichtbar geworden, da nicht einmal eine einzige
Provinz frei von einem barbarischen Bewohner ist und die unsägliche Häresie der
Arianer, die sich mit den barbarischen Volksstämmen vereinigt hat, sich den Namen
des katholischen Glaubens anmaßt, nachdem sie sich über den gesamten Erdkreis
ergossen hat“ {hac tempestate valde miserabilis rei publicae status apparuit, cum ne una
quidem sit absque barbaro cultore provincia et infanda Arrianorum haeresis, quae se na-
tionibus barbaris miscuit, catholicae nomen fidei toto orbe infusa praesumat c. 138). Auch
Prosper weist darauf hin, dass etwa der Vandalenkönig Geiserich in seinem Herr-
schaftsgebiet den arianischen Glauben förderte und die Katholiken verfolgte (c. 1327).
Weil einige Bischöfe in Nordafrika diesem Glauben nicht beitreten wollten, „geriet
der Barbar in rasenden Zorn, woraufhin sie - zuerst geächtet, anschließend in die Ver-
bannung getrieben, sodann durch die abscheulichsten Foltern gepeinigt und schließ-
lich durch verschiedene Todesarten hingerichtet - in glänzendem Martyrium auf
bewundernswerte Weise starben“ {sed Uli hoc facinus constantissime respuentes excitato
in rabidissimam iram barbaro primum proscripti, deinde in exilium acti, tum atrocissimis
suppliciis excruciati, ad postremum diver sis mortibus interempti illustri martyrio mirabi-
liter occubuerunt (c. 1329), wobei auch hier das Bild des ungestümen und jähzornigen
Barbaren evoziert wird.
Hingegen gibt, bedingt durch die noch größere Raffung der Ereignisse, der Chro-
nist der Gallischen Chronik von 511 die Ereignisse kürzer und ohne Emphase wieder.
So wird etwa Alarichs Eroberung Roms lediglich mit dem Verb ingredi, das weder auf
Verwüstungen noch Plünderungen hinweist (c. 28 [553]), bezeichnet.23 Dasselbe gilt
auch für Karthago {Carthago capta a Geserico (c. 53 [598-99]) und Attilas Verwüstun-
gen im Osten, über die konziser als in der Gallischen Chronik von 452 berichtet wird
{regrediens Attila Aquileiam frangit, qui et anteaplus LXXcivitates Orientis vastavit c. 62
[617-18]); der Verlust Britanniens, den die meisten Chronisten nicht erwähnen, wird
recht emotionslos mitgeteilt: „Die britannischen Provinzen sind von den Römern auf-
gegeben worden und fielen in die Gewalt der Sachsen“ {Britanniae a Romanis amissae
in dicionem Saxonum cedunt c. 55 [602]), während in der Gallischen Chronik von 452,
23 Aber auch die Gallische Chronik von 452 gibt Alarichs Eroberung Roms ohne Emphase mit dem Verb
capere wieder {Alarico duce Romam ceperant c. 67).
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c. 129); ebenfalls wird am Ende sehr emphatisch auf das neue, durch die Hunnen-
einfälle ausgelöste Elend im Osten des Reichs infolge der Plünderung von über 70
Städten {nova iterum Orienti consurgit ruina qua LXX non minus civitates Chunorum
depraedatione vastatae c. 132) hingewiesen. Nur einmal wird erwähnt, dass zwischen
den Barbaren und führenden römischen Politikern durchaus Beziehungen bestanden:
So hetzte Stilicho die Barbaren auf, weil er über die mangelnde Anerkennung seines
Sohnes empört war {maxime Stiliconis indigneferentisfilio suo regnum negatum c. 55).
Am Rande wird die Tatsache erwähnt, dass die Barbareneinfälle und ihre Etablie-
rung in ehemals von den Römern beherrschten Gebieten den aus dem Reich vertrie-
benen Arianern Auftrieb gaben (c. 51). Auf diese Korrelation zwischen den Barbaren
und den Arianern weist er auch am Ende hin: „In dieser Zeit ist der äußerst bekla-
genswerte Zustand des Staatswesens sichtbar geworden, da nicht einmal eine einzige
Provinz frei von einem barbarischen Bewohner ist und die unsägliche Häresie der
Arianer, die sich mit den barbarischen Volksstämmen vereinigt hat, sich den Namen
des katholischen Glaubens anmaßt, nachdem sie sich über den gesamten Erdkreis
ergossen hat“ {hac tempestate valde miserabilis rei publicae status apparuit, cum ne una
quidem sit absque barbaro cultore provincia et infanda Arrianorum haeresis, quae se na-
tionibus barbaris miscuit, catholicae nomen fidei toto orbe infusa praesumat c. 138). Auch
Prosper weist darauf hin, dass etwa der Vandalenkönig Geiserich in seinem Herr-
schaftsgebiet den arianischen Glauben förderte und die Katholiken verfolgte (c. 1327).
Weil einige Bischöfe in Nordafrika diesem Glauben nicht beitreten wollten, „geriet
der Barbar in rasenden Zorn, woraufhin sie - zuerst geächtet, anschließend in die Ver-
bannung getrieben, sodann durch die abscheulichsten Foltern gepeinigt und schließ-
lich durch verschiedene Todesarten hingerichtet - in glänzendem Martyrium auf
bewundernswerte Weise starben“ {sed Uli hoc facinus constantissime respuentes excitato
in rabidissimam iram barbaro primum proscripti, deinde in exilium acti, tum atrocissimis
suppliciis excruciati, ad postremum diver sis mortibus interempti illustri martyrio mirabi-
liter occubuerunt (c. 1329), wobei auch hier das Bild des ungestümen und jähzornigen
Barbaren evoziert wird.
Hingegen gibt, bedingt durch die noch größere Raffung der Ereignisse, der Chro-
nist der Gallischen Chronik von 511 die Ereignisse kürzer und ohne Emphase wieder.
So wird etwa Alarichs Eroberung Roms lediglich mit dem Verb ingredi, das weder auf
Verwüstungen noch Plünderungen hinweist (c. 28 [553]), bezeichnet.23 Dasselbe gilt
auch für Karthago {Carthago capta a Geserico (c. 53 [598-99]) und Attilas Verwüstun-
gen im Osten, über die konziser als in der Gallischen Chronik von 452 berichtet wird
{regrediens Attila Aquileiam frangit, qui et anteaplus LXXcivitates Orientis vastavit c. 62
[617-18]); der Verlust Britanniens, den die meisten Chronisten nicht erwähnen, wird
recht emotionslos mitgeteilt: „Die britannischen Provinzen sind von den Römern auf-
gegeben worden und fielen in die Gewalt der Sachsen“ {Britanniae a Romanis amissae
in dicionem Saxonum cedunt c. 55 [602]), während in der Gallischen Chronik von 452,
23 Aber auch die Gallische Chronik von 452 gibt Alarichs Eroberung Roms ohne Emphase mit dem Verb
capere wieder {Alarico duce Romam ceperant c. 67).