Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Gastgeber, Christian: Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0289
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
288

Christian Gastgeber

und das pagane Erbe durch Harmonisierung der Daten mit der biblischen Geschichte
(bis zur Passion Christi) verbinden sollte - nicht durch ausführliche Erklärungen, son-
dern durch eine Konkordanz der Daten bzw. der Herrschaftsären, wie dies Eusebios
von Kaisareia so übersichtlich in seinen Canones vorgeführt hat.3 Die biblischen Daten
wurden traditionell als historische Eckpfeiler gesehen, nach denen man Ereignisse
datieren kann; ihnen wird zur Seite gestellt, was es sonst noch an vorhandenen Datie-
rungssystemen gab. Man könnte dies als einen Beweis der Historizität des Alten (und
Neuen) Testaments sehen; doch ist diese Betrachtungsweise zu modern und von einer
kritischen Quellenanalyse her betrachtet. Für einen Byzantiner stellt sie sich nicht.
Auch symbolisch-mystische Zeiteinheiten oder -punkte wurden nicht in Zweifel ge-
zogen oder korrigiert, solange man die Jahresdaten aus den Bücher des Alten und
Neuen Testaments nicht in einer direkten Abfolge bis zur Gegenwart herausfilterte
und in ein kongruentes System einpasste, das mit astronomischen Zyklen (Mondzyk-
lus, Sonnenzyklus) übereinstimmen sollte. Dann musste man sich der Frage möglicher
Abweichungen vor dem Faktum der Zyklenberechnung stellen oder diese entspre-
chend manipulieren. In dieser Hinsicht, d.h. in der Berechnung und Zuordnung von
Daten, zeigt das Chronicon Paschale eigene Initiative und einen innovativen Zugang.4
Im Fokus des Chronicon Paschale ist die Berichtigung bestehender Osterberech-
nung, einerseits anhand einer (Neu)Berechnung der Basisdaten des Christentums,5
andererseits in der korrekten Abfolge der Jahresdaten - eine essentielle Aufgabe,
die mit dem ersten Punkt eng verbunden ist; denn sie führt zum Anfangspunkt der
Weltschöpfung, an dem Mond- und Sonnenzyklus ihren Anfang genommen haben
und fortan von diesem Anfangspunkt aus berechnet werden. Der Nucleus ist bis zur
Zeit der Passion Christi deutlich noch von einem starken christozentrischen Aspekt
geprägt: Sämtliche Ereignisse des alten Testaments sind typologische Vorboten des
Wirkens Christi. Daher wird auch den Propheten und der typologischen Interpreta-
tion ihrer Aussagen großer Raum gewidmet - all dies keine genuine Schöpfung des
Chronicon Paschale, dieselben Erklärungen finden sich bereits tale quale bei Kosmas
Indikopleustes.6 Diese Ausführungen sprengen den annalastischen Charakter und
betonen stark das Narrativ. Es ist aus der Christozentrik auch erklärlich, dass zu den
umfangreichsten narrativen Passagen der Evangelismos an Elisabeth und Maria, die
Geburt Johannes des Täufers und Jesu, Jesu Taufe im Jordan und sein Kreuzestod ge-
hören, jedoch nicht so sehr mit faktischen Information (bzw. mehr oder weniger dem
neutestamentlichem Narrativ wörtlich folgend) als vielmehr mit erklärenden Berech-
nungen, die das Weltjahr 55077 als Geburtsjahr Christi stützen sollten.

3 Zum Werk vgl. zuletzt Burgess (1999).

4 Eine Bewertung der Besonderheit des Chronicon Paschale (in der allgemeinen Tendenz der Verbindung
biblischer Daten mit der Weltgeschichte) bei Beaucamp/Bondoux/Lefort/Rouan/Sorlin (1979), S. 285-
287.

5 Diese werden im Vorwort aufgezählt: CP 25, Z. 1-11.

6 Siehe Schermann (1907), S. XVIII-XXII; Schneider (2010), S. 103-106; zur Konkordanz der Stellen mit
Kosmas Indikopleustes siehe die Edition von Wolska-Conus, S. 53-56.

7 Nur en passant sei hier angeführt, dass im Chronicon noch eine weitere Zählung angewandt wird, je-
doch nicht bei den Christuspassagen und den ausgewählten Rechenbeispielen im Werk. Eine genaue
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften