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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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VI. Die Chronik als Memorialgattung
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Gastgeber, Christian: Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0294
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Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik?

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ist in seiner Hiera Anagraphe angeführt, einem utopischen Reiseroman zu der fiktiven
Insel Panchaia.20 Im dortigen Zeustempel entdeckte Euhemeros die besagte Heilige
Aufzeichnung der Taten der ersten Könige. Es sind dies Uranos, Kronos und Zeus, bei
denen es sich um menschliche Herrscher handelt, die aufgrund herausragender Taten
bzw. einer entsprechend eingeforderten Verehrung wie göttliche Mächte verehrt wur-
den. Mit diesem Erklärungsmodell des Euhemeros konnte die heidnische Mythologie
ihrer Göttlichkeit entzaubert werden; es stellte sich - bei Herrschern, als die sie nun
aufgezeigt wurden - für den Christen jedoch die Frage, wie man sie zeitlich erfassen
und in das Weltchronikgefüge einpassen konnte. Die Eingliederung in ein zeitliches
Gefüge (freilich lange nach Gottes Schöpfung der Welt) erlaubte dem Christentum
zugleich, im Vergleich zu ihrem wahren Gott die Zeitlichkeit und Vergänglichkeit
dieser mythischen Helden aufzuzeigen. Kennzeichen der Zeitlichkeit und vor allem
der Vergänglichkeit wie Geburt oder Tod wurden dabei jeder dieser mythischen Ge-
stalten zugeordnet. Der große Vorteil lag darin, dass man auf eine pagane Tradition
zurückgreifen konnte und nicht, wie in der frühen christlichen Apologetik, mit kri-
tischer Stellungnahme zu Darstellungen der Götterwelt in der Klassischen Literatur,
allen voran bei Homer, Attacken reiten musste.
Der Euhemerismus nimmt auch in der Osterchronik einen breiten Raum ein,
eben bei der Eingliederung des Götterolymps in eine Herrschaftsabfolge. Doch dieser
sehr lange Exkurs ist eine wörtliche Übernahme aus Malalas; eine persönliche Stel-
lungnahme oder auch nur ein Kommentar dazu seitens des Autors fehlen. Die lange
Passage zu Kronos, Zeus, Hermes, Hephaistos, Helios, Sosis, Osiris, Horus, Thoulis
sowie Hermes Trismegistos (CP 64-86 = Malalas, Chron. I 7-13; II 11-13, 6-8; 113-15;
II 1-5 in der Abfolge 1-2, 5, 3-4, ed. v. Thurn) wird teils unter einem thematischen
Schwerpunkt zur Astronomie,21 d.h. zur Benennung von Persönlichkeiten nach Pla-
neten, abgehandelt. Diesem umfangreichen Abschnitt folgt eine Erklärung über diese
Periode des ΈΛΛηνισμός - mit einer bemerkenswerten christlichen Neuinterpre-
tation eines (positiven) Fachterminus der Rhetorik22 in negativer Konnotation: Der
Hellenismos fand im christlichen antihäretischen Schrifttum als Begriff für eine der
fünf Mütter aller folgenden Häresien Eingang.23 Die Definition des Hellenismus wird

20 Siehe hierzu Winiarczyk (2002), Adler (2016), Garstad (2016); Winiarczyk (1991) hat auch die gesam-
melten Fragmente über Euhemeros und sein Werk in der Bibliotheca Teubneriana ediert.

21 So die erste Rubrik im codex unicus der Osterchronik Codex Vaticanus gr. 1941, f. 32v; zu den einzelnen
heidnischen Göttern ist sodann marginal άστήρ (von a' bis ε', Ende f. 33r) erklärend hinzugefügt.

22 So in der stoischen Lehre; vgl. Diogenes Laertius, Vitaephilosophorum 7 59: άρεταί δε Λόγου είσί
πέντε, ελληνισμός, σαφήνεια, συντομία, πρέπον, κατασκευή. Ελληνισμός μεν ούν έστι
φράσις αδιάπτωτος εν τή τεχνική καί μή είκαία συνήθεια.

23 Vgl- Ephiphanios von Zypern, Panarion haereticorum 80, 10, 4, ed. v. Holl/Dummer, S. 495, Z. 9-10:
φύσει μεν γάρ είσιν έβδομήκοντα πέντε καί τούτων αί μητέρες πέντε, ώσπερ 'Ελληνισμός
άφ' ού Έλληνες. Man vgl. dazu auch CP 42, 9-11: αί των αιρέσεων πασών μητέρες τε καί
πρόκριτοι καί όνομασταί είσιν αύται· βαρβαρισμός, σκυθισμός, ελληνισμός, ιουδαϊσμός·
έξ ών μητέρων καί άλλαι έφύησαν αιρέσεις (= nach Ps.-Epiphanius,^»^^'7^205” zu Buch I,
Vorspann, ed. v. Holl/Bergermann/Collatz 2013, S. 162, Z. 4-5).
 
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