Metadaten

Bandini, Ditte [Editor]; Hinüber, Oskar von [Editor]; Dickoré, Wolf Bernhard [Editor]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0077
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Shing Nala

59

Umgebung gewährt und sich außerdem vor einem überhängenden, als Unterstand geeigneten Felsen erhebt. Seine
auffallende Form, der Abri und die günstige topographische Lage unterscheiden diesen Stern von allen anderen in
der Umgebung. Da er darüber hinaus von einheimischen Gravuren buchstäblich übersät ist, liegt die Annahme na-
he, daß er für die früheren Bewohner der Umgebung von Bedeutung war. Denkbar wäre, daß die seltsamen Ritzun-
gen, die, wie oben gezeigt, an Hausgrundrisse erinnern, reale Häuser von Shing Nala darstellen und daß des weite-
ren das an der zentralen Stelle des Steines angebrachte Labyrinth dem Schutz der Siedlung dienen sollte.306 Auch
die hier anzutreffenden unterschiedlichen Scheiben und Axtdarstellungen stützen vielleicht eine solche Interpreta-
tion.
Sicher ist, daß die Ritzungen auf diesem Stein von Einheimischen stammen, die nicht mit den Urhebern der bud-
dhistischen Gravuren identisch gewesen sein dürften. Wie bei Hodar307 scheinen die Scheiben und Äxte aus spä-
terer Zeit zu stammen, wofür auch der Umstand spricht, daß die einheimischen Gravuren eher am ‘Rand’ des Fels-
bildkomplexes angebracht sind. Es ist also davon auszugehen, daß gleichzeitig mit dem kleinen buddhistischen
Kloster oder dem Aufenthalt eines Mönches/Einsiedlers von besonderem Ruf oder danach eine kleine Siedlung in
Shing Nala existierte. Die Bewohner dieser Siedlung dürften des Schreibens nicht kundig gewesen sein, und die
Scheiben könnten als ihr Zeichen zu deuten sein.308 Wenigstens drei Scheibenpaare sind hier zu beobachten, die
von Verwandten stammen könnten - sowie zwei Doppelscheiben, die gleichfalls auf Verwandte schließen lassen,
die auf diese Weise ihre familiäre Nähe bekundeten. Auffällig ist, daß es hier keine einzige Scheibe gibt, die als
wirklich kunstvoll oder aufwendig in der Gestaltung zu bezeichnen wäre, wie sie aus Hodar und Thalpan bekannt
sind. Zum anderen gibt es hier keine einzige, die die für Hodar typischen am Ende verdickten Außenstrahlen zei-
gen würde. Wird von den ganz simplen Mustern abgesehen, die sich überall wiederholen, findet sich schließlich
keine Scheibe, deren Innenzeichnung mit einer von Hodar identisch wäre, woraus, wie bei den Inschriften, auf ein
und denselben Urheber hätte geschlossen werden können.
Ob das Fehlen von Jagddarstellungen und Jägern daraufhindeutet, daß die Berge um Shing Nala sich auch in
früheren Zeiten für die Jagd nicht besonders eigneten, bleibt offen. Laut Informationen Einheimischer waren die
Jagdmöglichkeiten in früheren Zeiten in den Bergen am Oberen Indus allerdings überall gut.309 Auch soll es auf der
Höhe über der Siedlung von Shing Nala eine Reihe entsprechender Felsritzungen geben.310
Die Schlichtheit der Scheiben und Äxte im Vergleich zu entsprechenden Gravuren von Hodar läßt den Verdacht
aufkommen, daß die Bewohner von Shing Nala stärker von der Außenwelt abgeschlossen waren als die von Hodar.
Diese Annahme erscheint plausibel, da, wie die Höhensiedlung von Kino Kot gezeigt hat, Hodar eine größere und
bedeutendere Siedlung darstellte, die im Schnittpunkt auch überregionaler Verkehrsrouten lag. Während Hodar
seine besondere Bedeutung daher aus seiner Rolle als Handelsplatz und Verkehrsknotenpunkt bezogen hatte, war
Shing Nala durch das mögliche buddhistische Heiligtum im wesentlichen auf seine Funktion als Pilgerort be-
schränkt.

306 Vgl. oben S. 28; zu sogenannten ‘Sippensteinen’ in der Region, bei denen u.a. Opfer durchgeführt wurden, vgl. MÜLLER-
STELLRECHT 1973: 210f.
307 Vgl. BANDINI-KÖNIG 1999: 129ff.
308 Ebd.: 130.
309 Information von H. Hauptmann.
310 Nach H. Hauptmann.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften