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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0146
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MÖGLICHKEITEN DER NUMERISCHEN DATIERUNG VON GESTEINSOBERFLÄCHEN

GÜNTHER A. WAGNER
In der archäometrischen Datierungspraxis wird man immer wieder mit der Frage nach dem Alter einer Gesteins-
oberfläche - sei es ein Steingerät, eine Felswand oder ein Baustein - konfrontiert. Gewiß ist eine möglichst präzise
Antwort auf diese Frage für Prähistoriker, Geoarchäologen und Baugeschichtsforscher in vielerlei Hinsicht oft von
entscheidender Bedeutung. Es hat deshalb auch nicht an Versuchen gefehlt, dieses Problem zu lösen, und dabei
haben sich meist typologische, stilistische und stratigraphische Verfahren bewährt. Häufig bleibt die Antwort aber
unbefriedigend. Auf der anderen Seite hat die Entwicklung chronometrischer Datierungsverfahren1 für den archäo-
logischen Zeitbereich in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht (vgl. WAGNER 1995, 1998). Zweck
dieses Aufsatzes ist, einen Überblick über diejenigen archäochronometrischen Verfahren zu geben, die potentiell
zur Datierung von Gesteinsoberflächen geeignet sind.
Bei der Datierung stellt sich zuallererst die Frage, welcher Zeitpunkt eigentlich interessiert, derjenige der Bildung
bzw. Herstellung oder derjenige der Exponierung einer Oberfläche, oder etwa derjenige, seitdem eine Oberfläche
wiederabgedeckt wurde. Ein solches Problem würde sich beispielsweise bei der Wiederverwendung eines Bau-
steins stellen. Die bei der chronometrischen Datierung verwendeten physikalischen, chemischen und biologischen
Prozesse müssen also im gesuchten Moment zu laufen begonnen haben. Man spricht in diesem Zusammenhang
auch von der “Nullsetzung” des zur Datierung benutzten Systems. Weiterhin müssen die zeitabhängigen physikali-
schen und chemischen Prozesse so ablaufen, daß sie in den zu bestimmenden Zeiträumen zu präzise meßbaren
Veränderungen führen, d.h. sie dürfen weder zu schnell noch zu langsam sein. Selbstverständlich sollen sich die
Prozesse durch gleichmäßige Geschwindigkeit, die zudem bekannt sein muß, auszeichnen. Diese plausiblen Forde-
rungen an ein Datierungssystem sind aber nur selten erfüllt, wie dann bei der Besprechung der einzelnen Verfahren
zu sehen sein wird.
Für die Oberflächendatierung werden unterschiedliche natürliche Prozesse herangezogen. Frische Oberflächen un-
terliegen an der Luft und im Boden der Verwitterung, die im Laufe der Exponierungsdauer zunimmt, so daß aus
dem Grad der Verwitterung auf das Alter geschlossen werden kann. Die kosmische Strahlung induziert in Ge-
steinsoberflächen Kernreaktionen, die zur Bildung kosmogener Nuklide2 fuhren, deren Anzahl mit der Bestrah-
lungsdauer wächst. Weiterhin kann organisches Material, das aufgrund seines 14C-Gehalts datiert werden kann, an
der Oberfläche angelagert werden. Durch Tageslicht wird das Lumineszenzsignal an der Oberfläche gelöscht, so
daß bei nachfolgender Abdunkelung der Zeitpunkt der letzten Belichtung bestimmt werden kann. Schließlich kann
der Flechtenbesatz, der mit dem Oberflächenalter zunimmt, zur Altersabschätzung verwendet werden.
Verwitterungsrinden und Patina
Diese Datierungsmethoden beruhen auf zeitabhängigen chemischen Verwitterungsreaktionen zwischen Bestand-
teilen der Atmosphäre und Bodenfeuchte mit den Mineralen der Gesteinsoberfläche. Vorausgesetzt die Reaktions-
geschwindigkeit ist bekannt, läßt sich aus dem Reaktionsfortschritt die Dauer des Reaktionsablaufs, d.h. das Alter

1 Unter chronometrischen Methoden werden solche naturwissenschaftlichen Ansätze verstanden, die zu einer numerischen Al-
tersaussage fuhren, also in Jahren und nicht in relativen Angaben wie “älter” oder “jünger als”.
2 Ein Nuklid ist eine Kernart, die durch ihre Anzahl von Protonen und von Neutronen festgelegt ist, wobei die Protonenzahl das
chemische Element, zu dem das Nuklid gehört, bestimmt. Beispielsweise besteht das Nuklid l4C aus 6 Protonen (und ist damit
Kohlenstoff) und 8 Neutronen, deren Summe 14 als Massenzahl bezeichnet wird und links vom Elementsymbol hochgestellt
erscheint.
 
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