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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0147
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der Oberfläche abschätzen. Zur Altersbestimmung verwendete Reaktionen sind hauptsächlich Diffusion, selektiver
Ionenaustausch und Oxidation. Dadurch bilden sich Verwitterungsrinden mit veränderter chemischer Zusammen-
setzung. Die Rindendicke wächst mit der Verwitterungsdauer. Zusätzlich können auch Oxide und Hydroxide als
Krusten die Oberfläche überziehen. Oft wird beim Begriff der Verwitterungsrinde nicht scharf zwischen dem se-
lektiv veränderten Material und der neu gebildeten Krustensubstanz unterschieden. Für alterungsbedingte Oberflä-
chenfilme - meist mit deutlicher Farbveränderung - wird häufig der unpräzise Begriff “Patina” gebraucht. Als al-
tersabhängige Größen dienen die Dicke oder die Zusammensetzung der Verwitterungsrinde. Datiert wird damit die
Exponierungsdauer einer Oberfläche gegenüber den verwitterungsauslösenden Substanzen.
Eine prinzipielle Schwierigkeit bei allen Datierungsansätzen, die auf chemischen Reaktionen beruhen, ist die Ab-
hängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von vielfältigen Faktoren, das sind vor allem stoffliche und strukturelle
Eigenschaften des zu datierenden Objekts und Umgebungseinflüsse wie Temperatur, pH-Wert, Redox-Bedingun-
gen, Feuchte, Art und Konzentration gelöster Substanzen. Da die Reaktionsgeschwindigkeit exponentiell mit der
Temperatur steigt, dominiert deren Einfluß. Abgesehen davon, daß die Wirkung der übrigen Parameter kaum hin-
reichend bekannt ist, kompliziert die wahrscheinliche zeitliche Variation der Faktoren in der Vergangenheit die Si-
tuation weiter. Es gelingt deshalb nur in Ausnahmefällen, aus Verwitterungsvorgängen numerische Alter abzulei-
ten. Sie eignen sich eher für semiquantitative und relative Altersaussagen.
Wenn Feuersteinartefakte in den Boden gelangen, beginnt die chemische Verwitterung von der frischen Gesteins-
oberfläche her in die Tiefe voranzuschreiten. Die Mächtigkeit der Patina sollte dann das Exponierungsalter dieser
Fläche wiedergeben. Die Patina besteht aus einer makroskopisch erkennbaren Oberflächenschicht. Analytische
Profile zeigen signifikante Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Patina im Vergleich zur Matrix.
Die Prozesse, die während der Patinierung ablaufen, sind komplex und nicht restlos geklärt. Aber ‘Zeit’ ist keines-
wegs der einzige Parameter, der die Dicke der Verwitterungsrinde bestimmt, denn andere Faktoren wie mineralo-
gischer und struktureller Bau des Feuersteins, Bodenchemie und Wassergehalt sowie Umgebungstemperatur kön-
nen die Patinierung sogar noch stärker als der reine Alterungseffekt beeinflussen (ROTTLÄNDER 1977). An Hom-
steinartefakten vom Speckberg konnte ROTTLÄNDER (1989) mittel- und jungpaläolithische Stücke anhand der
Patinafärbung unterscheiden, allerdings korreliert bei diesem Fundmaterial die Dicke der Patina nicht mit dem
stratigraphischen Alter. PURDY/CLARK (1987) vertreten dagegen die Ansicht, daß unter kontrollierten Fundbedin-
gungen die Patinabildung eine Datierung der Oberflächen erlaubt. Wegen der umgebungsabhängigen Einflüsse auf
die Patinierung ist das Verfahren am ehesten für gleiches Feuersteinmaterial vom selben Fundpunkt geeignet.
Sind frische Oberflächen von Obsidian, ein vulkanisches Gesteinsglas, der Feuchtigkeit der Luft oder des Bodens
ausgesetzt, diffundiert Wasser aus der Umgebung allmählich in das Glas. Es bildet sich eine mikroskopisch sicht-
bare Hydrationsrinde, die parallel zur Oberfläche verläuft und sich als scharfe Diffusionsfront von dem unverän-
derten Glasmaterial des Glasinneren abgrenzt. Durch die fortschreitende Diffusion werden immer tiefere Bereiche
erreicht, so daß die Hydrationsrinde im Laufe der Zeit bis auf etwa 50 pm Dicke wachsen kann. Aus der Dicke der
Rinde kann auf das Alter der Oberfläche geschlossen werden. Handelt es sich um eine primäre Gesteinsoberfläche,
kann die vulkanische Bildung des Glases bestimmt werden. Meist werden jedoch anthropogene Bruchflächen, die
bei der Artefaktherstellung freigelegt wurden, datiert. Für Obsidianobjekte aus derselben geologischen Rohstoff-
quelle und vom selben Lagerungsplatz läßt sich aus der Rindendicke direkt die Altersabfolge ablesen (Abb. 1). Da-
gegen erfordert die chronometrische Altersbestimmung die explizite Kenntnis der Hydrationsgeschwindigkeit, die
vor allem von der chemischen Zusammensetzung des Glases und von der Umgebungstemperatur abhängt. Sie läßt
sich entweder durch Eichung an gleichem Material bekannten Alters aus derselben Umgebung oder experimentell
ermitteln. Ein beträchtliches Problem für die numerische Datierung können Unsicherheiten bei der Abschätzung
der Temperaturgeschichte des Fundplatzes sein.
Die Tatsache, daß die Messung der Rindendicke schnell und einfach zu sein scheint und daß inzwischen mehrere
zehntausend Obsidiandaten existieren, darf nicht über ernsthafte methodologisch inhärente Schwierigkeiten der
Hydrationsdatierung hinwegtäuschen (ANOVITZu.a. 1999). Die Datierung von Obsidian ist naturgemäß auf vulka-
 
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