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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0090
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BESCHREIBUNG DES MATERIALS344

DITTE BANDINI-KÖNIG
Die in Gichi Nala registrierten knapp 750 Gravuren umfassen in etwa 300 Inschriften und 450 bildliche Dar-
stellungen.
1. Anthropomorphes Wesen (Tafeln 54-60)
Knapp 80 Gravuren in Gichi Nala geben anthropomorphe Wesen wieder. Sie verteilen sich im wesentlichen über
die gesamte Station, doch ist zu bemerken, daß die Reiter sämtlich östlich des Nalas, die Jäger westlich des Nalas,
und die Hand- und Fußabdrücke sowie die Menschendarstellungen gleichfalls überwiegend im westlichen Teil
angebracht sind.
Die Darstellungen gliedern sich wie folgt: 36 nicht näher bestimmbare Menschen, 14 Krieger,345 zwölf durch Wie-
dergabe des Geschlechtsteils als Mann gekennzeichnete Menschen, 12 Reiter, vier Riesen, drei Jäger, ein Herm-
aphrodit^) und ein gehömtes(?) anthropomorphes Wesen. Hinzu kommen zehn Hand- und fünf Fußabdrücke.
Auffallend ist im Gegensatz zu Shing Nala und Shatial das völlige Fehlen von buddhistischen anthropomorphen
Darstellungen wie Buddhas und Adoranten. Auch gibt es in Gichi Nala im Unterschied zu Hodar lediglich eine
einzige Gravur eines gehömten(?) anthropomorphen Wesens. Weiterhin ist auf die auffallend hohe Anzahl von
Riesen und ebenfalls prähistorischen Hand- und Fußabdrücken hinzuweisen. Die für Shatial typischen Phallos-
und Kopfdarstellungen fehlen hingegen gänzlich. Zu bemerken ist, daß es sich überwiegend um sehr schlichte
Zeichnungen handelt.
1.1 Gehörntes(?) anthropomorphes Wesen (Tafel 54)
Eine einzige Gravur (112:4) bildet ein Wesen ab, das anstelle des Kopfes drei Striche aufweist. Es wurde daher in
diese Kategorie aufgenommen, obgleich nicht feststeht, daß es sich bei den Strichen tatsächlich um Hörner, einen
Hömerkopfputz bzw. eine Hörnermaske handelt. Wie zu Hodar besprochen,346 könnte beispielsweise auch ein
Kopfschmuck aus Federn oder eine bestimmte Haartracht gemeint sein. Es handelt sich um eine einfache Strich-
zeichnung. Das Wesen ist durch Wiedergabe des Geschlechtsteils als männlich gekennzeichnet. Auffällig ist die
ungewöhnliche Haltung der Arme, die an Flügel erinnern. Genau dieses Phänomen zeigen manche der gehörn-
ten^) anthropomorphen Wesen in Hodar (z.B. 116:4, 5, 7, 21). Auch sonst ähneln die genannten Ritzungen der
Zeichnung in Gichi Nala sehr. Wie in Hodar, könnte es sich auch hier um eine schamanistische Darstellung han-
deln,347 wobei die seltsame Armhaltung ein entsprechendes Kostüm oder aber einen besonderen Tanz andeuten
könnte.348
Die Ritzung findet sich auf einem am alten Weg gelegenen Stein im westlichen Teil des Felsbildkomplexes, auf
dem außerdem noch sehr unterschiedliche Gravuren (darunter auch mehrere Menschen) angebracht sind. Vielleicht
kein Zufall ist die unmittelbare Nähe zum Stüpa 112:3, der direkt über 112:4 eingepickt ist (Gruppe 112:A).
Über die Datierung der Darstellung läßt sich nicht mehr sagen, als daß sie älter zu sein scheint als der Stüpa 112:3
und daher vielleicht auch aus vorchristlicher - allerdings sicher nicht aus prähistorischer — Zeit stammen könnte.

344 Zu den allgemeinen Bemerkungen hierzu vgl. oben S. 15.
345 D.h. mit Waffen versehene Menschen, die, da Tiere fehlen, nicht als Jäger bezeichnet werden können (-*■ Abschnitt Definitio-
nen).
346 Bandini-König 1999: 11-16.
347 Hierzu ausführlich ebd.: 12ff.
348 Zur Beeinflussung der Region des Oberen Indus durch den sibirischen Schamanismus FUSSMAN 1977: 41 ff.
 
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