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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0091
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Gichi Nala

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1.2 Hermaphrodit? (Tafel 54)
Eine im östlichen Teil des Felsbildkomplexes lokalisierte einfache Strichzeichnung (27:1) ist als androgynes We-
sen bzw. Hermaphrodit zu bezeichnen. Die Figur ist sowohl mit einem männlichen Geschlechtsteil als auch mit ei-
nem Punkt unter dem rechten Arm versehen, der unter Umständen eine weibliche Brust andeuten könnte. Auf der
linken Seite ist die Steinoberfläche abgeplatzt, so daß sich nicht klären läßt, ob auch hier ein Punkt eingepickt war.
Die wiederholt im Zusammenhang mit Felsbildern vorgebrachte Ansicht, jeweils ein Punkt zu beiden Seiten des
Rückgrates bei einfachen Strichzeichnungen (wie sie auch in anderen Felsbildkomplexen, so etwa in der Mongolei,
Vorkommen)349 kennzeichne Frauenbrüste,350 bleibt allerdings hypothetisch. Auffallend ist bei der Figur 27:1, daß
der Kopf zu beiden Seiten ausgebuchtet ist, als ob eine besondere Frisur oder Kopfbedeckung angedeutet sei.351
Über die Datierung der Gravur läßt sich nur sagen, daß die als ‘mittel’ einzustufende Patina eine Datierung in
prähistorische Zeit ausschließt.
1.3 Jäger (Tafel 54)
Drei Menschen (112:33; 113:10; 134:2) wurden als Jäger bezeichnet, da sie zum einen bewaffnet sind und zum
anderen in deutlichem Zusammenhang mit Tieren stehen. Alle drei Darstellungen finden sich im westlichen Teil
des Felsbildkomplexes, und bei allen handelt es sich um schlichte Gravuren. Die Figur 112:33 ist zwar teilweise
im Umriß, im übrigen aber ebenso einfach ausgefuhrt wie die anderen beiden Jäger. Der zum Körper zurückgebo-
gene rechte Arm des Menschen 112:33 deutet daraufhin, daß der Jäger - wie 113:10- seinen Bogen spannt. Die
Waffe, die der Jäger 134:2 in der linken Hand hält, sieht aus wie ein gerader Stock. Der zum Kopf zurückgebogene
rechte Arm läßt jedoch darauf schließen, daß ebenfalls ein Bogen gemeint war.352
Alle drei Jäger sind Teil jeweils einer Jagdszene (112:F; 113: A; 134:A), wobei bei 112:Fund 134:A nur der Jäger
mit einem Caprinus dargestellt ist. In beiden Fällen ist die Position des Jägers zum Tier (bzw. umgekehrt) unge-
wöhnlich. Vielleicht sollte gezeigt werden, wie er oberhalb bzw. unterhalb seiner Beute auf der Tauer liegt. Der
Jäger 113:10 hat außerdem noch einen Hund (113:8) dabei, der den Markhor 113:9 von der anderen Seite her ge-
stellt zu haben scheint.
Die Patina der drei Ritzungen ist als ‘mittel’ zu bezeichnen. Somit ist eine prähistorische Datierung für alle Dar-
stellungen auszuschließen. Zeitlich sehr viel enger einzugrenzen ist die Gravur 113:10. Hier ist einer der wenigen
Fälle zu beobachten, daß eine Brähml-Inschrift durch eine Jagdszene überlagert wird. Der Markhor der Szene
113:A (113:9) ist über das Ende der Inschrift 113:4 gepickt, womit klar wird, daß die gesamte Szene jünger als die
Inschrift sein muß. Da die Patina allerdings gleich aussieht, ist anzunehmen, daß die Gravuren der Szene, darunter
der Jäger 113:10, nicht wesentlich später entstanden sein dürften.
1.4 Krieger353 (Tafel 54)
Die 14 Ritzungen, die bewaffnete Menschen ohne Zusammenhang mit Tieren zeigen (sonst “Jäger”), verteilen sich
etwa gleichmäßig über den Felsbildkomplex. Es handelt sich bei sämtlichen Darstellungen um einfache Strich-
zeichnungen, die teilweise sehr abgerieben und damit undeutlich sind. Keine einzige kann als sorgfältig ausgeführt
bezeichnet werden. Einige von ihnen (1:5, 6; 9:2; 75:7) sind in Gruppen eingebunden, bei anderen ist ein Zusam-
menhang mit umliegenden Gravuren wenigstens zu vermuten.
Um welche Waffen es sich im einzelnen handelt, ist wegen der Schlichtheit und Undeutlichkeit vieler Felsbilder
schwer zu sagen. Einige Figuren (9:2; 73:1; 93:1 und sicher 122:3) scheinen einen Bogen zu halten, bei anderen
(z.B. 1:5, 6; 108:1) könnte ein die Hüftlinie schneidender Strich vielleicht ein Messer/Dolch andeuten. Ungewöhn-
349 Gai SHANLIN 1989: 217 und Tafel XIII/2.
350 Vgl. oben S. 17, Anm. 73.
351 Hierzu Bandini-KÖNIG 1999: 20.
352 Zu Bogenformen und ihrem Material BAND1N1-KÖN1G 1999: 17, Anm. 124.
353 Dieser vereinfachende Terminus ist allein als ‘Arbeitsbegriff zu verstehen (->■ Abschnitt Definitionen), da natürlich nicht jeder
bewaffnete Mensch zwangsläufig ein Krieger ist.
 
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