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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0092
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74

Gichi Nala

lieh ist die Position der Waffe bei der Figur 75:7, falls es sich überhaupt um eine solche handelt. Hier könnte viel-
leicht ein über die Schulter gehängter Bogen gemeint sein. Gleichfalls ungewöhnlich und nicht zu deuten sind die
Linien, die in Hüfthöhe bei dem Menschen 75:9 eingepickt sind. Ob hier zwei Bogen gemeint sind oder ein überdi-
mensional groß gezeichneter Pfeil, bleibt Spekulation, zumal weder das eine noch das andere einen Sinn ergeben
würde. Einen Schild könnte die Figur 33:2 in der rechten und vielleicht ein Schwert in der linken354 Hand halten
(falls nicht einfach der Arm nach oben angewinkelt sein soll).
Auffällig ist, daß im Gegensatz zu Hodar bei nur einem Krieger (122:3) eine besondere Frisur oder Kopfbe-
deckung zu beobachten ist. Bei ihm sind zwei deutliche Ausbuchtungen am Kopf gezeichnet, wie sie identisch
etwa bei einer Darstellung in Hodar (24:52, Tafel 3) zu sehen sind. Ob damit ein Hut mit Ohrenklappen angedeutet
werden sollte, bleibt unklar.355 Ebensowenig läßt sich sagen, warum fünf der Krieger (1:5, 6; 67:13; 75:7, 9) die
Arme erhoben haben. Die Finger der rechten Hand von 1:6 sind gespreizt.356 Bei fünf Kriegern ist das männliche
Geschlechtsteil angedeutet. Falls nicht doch mit dem kurzen Strich ein Messer/Dolch o.ä. gemeint war, ist das
Geschlechtsteil bei der Darstellung 67:13 in anderer Weise als üblich wiedergegeben.3:17
Drei Figuren (1:5, 6; 59:15) sind stärker als durchschnittlich patiniert. Sie könnten daher vielleicht in frühhistori-
scher Zeit entstanden sein. Vermutlich aus buddhistischer Zeit stammt die Zeichnung 67:13, die links unterhalb
von Brähml-Inschriften angebracht ist und etwa die gleiche Patinierung aufweist. Der enge Zusammenhang mit
von den Sogdiem bekannten Ornamenten3"8 legt auch für die Gravur 112:22 eine Datierung in die Zeit der Inschrif-
ten nahe. Die beiden Krieger 75:7 und 9 könnten dagegen sogar aus jüngerer Zeit stammen. Für die übrigen Dar-
stellungen läßt sich - der als ‘mittel’ einzustufenden Patina nach zu urteilen - lediglich eine prähistorische Datie-
rung ausschließen.
1.5 Mann (Tafeln 54 und 55)
Zwölf Darstellungen anthropomorpher Wesen wurden in diese Kategorie eingeordnet, da jeweils das männliche
Geschlechtsteil wiedergegeben ist.359 Die Ritzungen sind überwiegend im westlichen Teil der Station angebracht,
vier von ihnen auf Stein 112. Wenigstens vier (59:19, 21; 95:6; 112:8) sind in Gruppen eingebunden.
Bei allen handelt es sich um schlichte Strichzeichnungen. Bei nur dreien (95:6; 132:2; 145:12) sind manche Kör-
perteile im Umriß dargestellt. Eine besondere Frisur oder eine Kopfbedeckung ist lediglich bei 67:15 angedeutet
(s.u.), Kleidung dagegen bei keiner Figur. Die Arme sind erhoben (u.a. bei 59:19, 21), ausgestreckt (u.a. bei
112:35) oder gesenkt (z.B. bei 67:15; 136:2). Der rechte Arm der Figur 48:11 ist zum Kopf zurückgeführt, wie dies
im allgemeinen bei Darstellungen von Jägern der Fall ist, die ihren Bogen spannen. Da die Ritzung sehr abgerie-
ben ist, könnte der Bogen nicht mehr erhalten sein. Ebenfalls zum Rumpf zurückgebogen ist der rechte Arm des
Mannes 132:2. Der Rumpf selbst ist verbreitert und flächig gepickt. Bei einigen Darstellungen sind die Hände
(z.B. bei 59:19, 21) oder die Finger (bei 95:6; 112:8) angedeutet. Die Beine sind überwiegend leicht gespreizt,
Ausnahmen sind die Gravuren 112:35 und 145:12. Bei manchen Figuren (z.B. bei 59:19; 112:27) sind die Füße
skizziert und - abgesehen von 145:12 - nach außen gestellt. Bei der Ritzung 112:8 sind auch die wie die Finger
gespreizten Zehen wiedergegeben. Von der Rückenlinie dieses Mannes gehen Striche ab, deren Bedeutung unklar

354 Wie zu Hodar angemerkt (Bandini-KÖNIG 1999: 17), ist eine solche Angabe als hypothetisch zu betrachten, da die Ausrichtung
der jeweiligen Person in den allerseltensten Fällen eindeutig zu bestimmen ist. Dennoch ist in der Regel davon auszugehen, daß
die Figuren nicht von hinten dargestellt sind.
355 Hierzu Chudjakov/Tabaldiev 1996: 314 und BANDINI-KÖNIG 1999: 17ff.
356 Zu gespreizten Fingern in paläolithischen Felsbildem MÜLLER-KaRPE (1974: 274): “Physiognomisch ist diese Geste ein Aus-
druck des Sichöffnens, und zwar sowohl im innerweltlich-gesellschaftlichen Verkehr als auch im religiösen Bereich. ... Wie
oben angedeutet, ist bei den paläolithischen Menschendarstellungen mit erhobenen, geöffneten Händen wohl an Betende zu
denken.”
357 Vgl. oben S. 18, Anm. 76.
358 Siehe unten Abschnitt 13.
359 Einige der Krieger sind ebenfalls als Männer ausgewiesen (s.o.). Auch dürften die meisten unbestimmten Menschendarstellun-
gen Männer meinen.
 
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