242 Morgenröthe
nen. Unterschieden wird zwischen einem eher passiven und einem aktiven
Anarchismus. Der passive Anarchismus erkennt zwar Normen und Autoritäten
nicht an, reagiert aber nur mit Abweichung oder Verweigerung. Der aktive
Anarchismus hingegen bekämpft bestehende Ordnungen mit dem Ziel einer
Gesellschaft ohne Herrschaft, Gesetze, Staat und Autorität: Er betreibt eine
,Propaganda der Tat' bis hin zu Attentaten und Aufständen. Trotz seiner Hoff-
nungen auf sich „organisirende" Gruppen steht N. nicht dem kollektivisti-
schen, sondern dem individualistischen Anarchismus nahe (William Godwin,
Max Stirner), wie schon seine Betonung des „Individuums" und des „Einzel-
nen" gegen jede allgemein verbindliche normative ,Moral' in der Morgenröthe
zeigt.
165
147, 24 Welche Moral nicht langweilt.] Die „vier sokratischen Tugen-
den" (147, 30) sind die von Platon kanonbildend in der Politeia statuierten Kar-
dinaltugenden. Vgl. NK Μ 26 und M 58. In den Aufzeichnungen zu seiner Vorle-
sung Einleitung in das Studium der platonischen Dialoge stellt N., ausgehend
von der Politeia, die vier Haupttugenden ausführlich dar (KGW II 4, 175-180).
Alle vier Kardinaltugenden zusammen nennt Platon schon im Phaidon (69
al0-b3). Kant und Schopenhauer hatten die auf diese Kardinaltugenden ge-
gründete Moral kritisch in Frage gestellt. N. betont in paradoxaler Weise, die
Griechen hätten deshalb so großes Interesse an diesen Tugenden gehabt, weil
gerade sie ihnen fehlten.
166
148, 2 Am Scheidewege.] Der Begriff des „Systems" am Beginn ist nicht
im Sinn eines philosophischen Systems gemeint, wie es im Hinblick auf N.s
bewusst unsystematisches, ja antisystematisches Denken naheläge. Der ganze
Text zeigt, dass N. an den Opportunismus pragmatisch angepassten und inso-
fern systemkonformen Verhaltens denkt. Den Hintergrund bildet sein in der
Morgenröthe formuliertes Bekenntnis zum Individualismus, besonders in M 107
und M 108. Der „Freidenker" macht sich vom Konformitätsdruck insbesondere
des geltenden „Sittengesetzes" und der konventionellen, etablierten Religion
frei. Vgl. Μ 20.
167
148, 18 Die unbedingten Huldigungen.] Mit der erst in 150, 17 f. formu-
lierten Grundthese, „dass unbedingte Huldigungen vor Personen etwas Lächer-
nen. Unterschieden wird zwischen einem eher passiven und einem aktiven
Anarchismus. Der passive Anarchismus erkennt zwar Normen und Autoritäten
nicht an, reagiert aber nur mit Abweichung oder Verweigerung. Der aktive
Anarchismus hingegen bekämpft bestehende Ordnungen mit dem Ziel einer
Gesellschaft ohne Herrschaft, Gesetze, Staat und Autorität: Er betreibt eine
,Propaganda der Tat' bis hin zu Attentaten und Aufständen. Trotz seiner Hoff-
nungen auf sich „organisirende" Gruppen steht N. nicht dem kollektivisti-
schen, sondern dem individualistischen Anarchismus nahe (William Godwin,
Max Stirner), wie schon seine Betonung des „Individuums" und des „Einzel-
nen" gegen jede allgemein verbindliche normative ,Moral' in der Morgenröthe
zeigt.
165
147, 24 Welche Moral nicht langweilt.] Die „vier sokratischen Tugen-
den" (147, 30) sind die von Platon kanonbildend in der Politeia statuierten Kar-
dinaltugenden. Vgl. NK Μ 26 und M 58. In den Aufzeichnungen zu seiner Vorle-
sung Einleitung in das Studium der platonischen Dialoge stellt N., ausgehend
von der Politeia, die vier Haupttugenden ausführlich dar (KGW II 4, 175-180).
Alle vier Kardinaltugenden zusammen nennt Platon schon im Phaidon (69
al0-b3). Kant und Schopenhauer hatten die auf diese Kardinaltugenden ge-
gründete Moral kritisch in Frage gestellt. N. betont in paradoxaler Weise, die
Griechen hätten deshalb so großes Interesse an diesen Tugenden gehabt, weil
gerade sie ihnen fehlten.
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148, 2 Am Scheidewege.] Der Begriff des „Systems" am Beginn ist nicht
im Sinn eines philosophischen Systems gemeint, wie es im Hinblick auf N.s
bewusst unsystematisches, ja antisystematisches Denken naheläge. Der ganze
Text zeigt, dass N. an den Opportunismus pragmatisch angepassten und inso-
fern systemkonformen Verhaltens denkt. Den Hintergrund bildet sein in der
Morgenröthe formuliertes Bekenntnis zum Individualismus, besonders in M 107
und M 108. Der „Freidenker" macht sich vom Konformitätsdruck insbesondere
des geltenden „Sittengesetzes" und der konventionellen, etablierten Religion
frei. Vgl. Μ 20.
167
148, 18 Die unbedingten Huldigungen.] Mit der erst in 150, 17 f. formu-
lierten Grundthese, „dass unbedingte Huldigungen vor Personen etwas Lächer-