Stellenkommentar Drittes Buch, KSA 3, S. 160-161 261
von „Strafe" auf (vgl. Μ 202 und NK hierzu), um sie nun in der Perspektive auf
eine „mögliche Zukunft" zur Disposition zu stellen. Zum Zukunftsdenken N.s
vgl. den Überblickskommentar S. 62-64. Das „Gesetz", das er in anderen Tex-
ten als allgemein verbindliche ,moralische' Norm suspendiert, weil es das Indi-
viduum einschränkt, versucht er hier zunächst ganz individualistisch zu defi-
nieren: als das Gesetz, „das er [der Verbrecher] selber gemacht hat", ja das ihn,
„indem er sich straft, die Macht des Gesetzgebers" fühlen lässt (160, 17-19). Mit
dem „Grundgedanken", den er dieser hypothetisch entworfenen Freiwilligkeit
der Strafe unterlegt („ich beuge mich nur dem Gesetze, welches ich selber ge-
geben habe"; 160, 24 f.) spielt er subversiv auf Kants Konzept einer „Selbstge-
setzgebung der Vernunft" an.
188
161, 2 Rausch und Ernährung.] Zum „Rausch" vgl. Μ 50 und NK hierzu.
Zur Diätetik bzw. zur Bedeutung der Ernährung vgl. Μ 171 und NK hierzu.
189
161, 28 Von der grossen Politik.] Erneut thematisiert N. hier das von ihm
in der Morgenröthe immer wieder aufgegriffene „Gefühl der Macht" (161, 31 f.;
162, 17), nun aber unter dem modernen Gesichtspunkt der „Masse", welche
das Machtgefühl rauschhaft steigert und damit alle ,Moral', die N. hier mit der
„Tugend" meint (162, 4; 162, 13), außer Kraft setzt. Die „Masse" als ein das
Machtgefühl und die Kriegsbereitschaft steigernder Faktor spielt erst in der mo-
dernen Kriegsführung eine Rolle. In älterer Zeit waren Kriege vornehmlich Ka-
binettskriege, die mit Söldnern geführt wurden und oft mit Zwangsaushebun-
gen verbunden waren. Das änderte sich in der Zeit der Französischen Revoluti-
on. Mit der „levee en mässe" begann die kriegsgeschichtliche Entwicklung hin
zum Volkskrieg, der durch den im 19. Jahrhundert um sich greifenden Nationa-
lismus, die Aufreizung nationaler Leidenschaften und durch die Entstehung
der Massengesellschaft im 19. Jahrhundert seine Dynamik erhielt. Mit der auf
die „Masse" zielenden Aussage: „Da quellen die verschwenderischen, aufop-
fernden, hoffenden, vertrauenden, überverwegenen, phantastischen Gefühle
so reichlich herauf" (162, 8-10) erinnert N. an die Geschichte der napoleoni-
schen Kriege und der gegen die Unterdrückung durch Napoleon reagierenden,
von patriotischer Begeisterung beflügelten Befreiungskriege. Gerade in der Zeit
des deutsch-französischen Krieges von 1870-1871 und in den darauf folgenden
Jahren waren Erinnerungen an die patriotische Erhebung beliebt. Noch näher
von „Strafe" auf (vgl. Μ 202 und NK hierzu), um sie nun in der Perspektive auf
eine „mögliche Zukunft" zur Disposition zu stellen. Zum Zukunftsdenken N.s
vgl. den Überblickskommentar S. 62-64. Das „Gesetz", das er in anderen Tex-
ten als allgemein verbindliche ,moralische' Norm suspendiert, weil es das Indi-
viduum einschränkt, versucht er hier zunächst ganz individualistisch zu defi-
nieren: als das Gesetz, „das er [der Verbrecher] selber gemacht hat", ja das ihn,
„indem er sich straft, die Macht des Gesetzgebers" fühlen lässt (160, 17-19). Mit
dem „Grundgedanken", den er dieser hypothetisch entworfenen Freiwilligkeit
der Strafe unterlegt („ich beuge mich nur dem Gesetze, welches ich selber ge-
geben habe"; 160, 24 f.) spielt er subversiv auf Kants Konzept einer „Selbstge-
setzgebung der Vernunft" an.
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161, 2 Rausch und Ernährung.] Zum „Rausch" vgl. Μ 50 und NK hierzu.
Zur Diätetik bzw. zur Bedeutung der Ernährung vgl. Μ 171 und NK hierzu.
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161, 28 Von der grossen Politik.] Erneut thematisiert N. hier das von ihm
in der Morgenröthe immer wieder aufgegriffene „Gefühl der Macht" (161, 31 f.;
162, 17), nun aber unter dem modernen Gesichtspunkt der „Masse", welche
das Machtgefühl rauschhaft steigert und damit alle ,Moral', die N. hier mit der
„Tugend" meint (162, 4; 162, 13), außer Kraft setzt. Die „Masse" als ein das
Machtgefühl und die Kriegsbereitschaft steigernder Faktor spielt erst in der mo-
dernen Kriegsführung eine Rolle. In älterer Zeit waren Kriege vornehmlich Ka-
binettskriege, die mit Söldnern geführt wurden und oft mit Zwangsaushebun-
gen verbunden waren. Das änderte sich in der Zeit der Französischen Revoluti-
on. Mit der „levee en mässe" begann die kriegsgeschichtliche Entwicklung hin
zum Volkskrieg, der durch den im 19. Jahrhundert um sich greifenden Nationa-
lismus, die Aufreizung nationaler Leidenschaften und durch die Entstehung
der Massengesellschaft im 19. Jahrhundert seine Dynamik erhielt. Mit der auf
die „Masse" zielenden Aussage: „Da quellen die verschwenderischen, aufop-
fernden, hoffenden, vertrauenden, überverwegenen, phantastischen Gefühle
so reichlich herauf" (162, 8-10) erinnert N. an die Geschichte der napoleoni-
schen Kriege und der gegen die Unterdrückung durch Napoleon reagierenden,
von patriotischer Begeisterung beflügelten Befreiungskriege. Gerade in der Zeit
des deutsch-französischen Krieges von 1870-1871 und in den darauf folgenden
Jahren waren Erinnerungen an die patriotische Erhebung beliebt. Noch näher