334 Morgenröthe
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225, 25 Die Gutmüthigen.] Furcht und Furchtsamkeit gehören in den zeit-
genössischen Darstellungen zur Vor- und Frühgeschichte der Kultur und ,Mo-
ral' als wesentliche und noch lange fortwirkende Grunddispositionen (vgl.
auch Μ 142 (134, 12-135, 8). Sie stehen in reflexartigem Zusammenhang mit der
Bereitschaft zur Anpassung, mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Stre-
ben nach Macht. Auf vor- und frühgeschichtliche Stadien, in denen etwa die
Furcht vor wilden Tieren, unbegriffenen Naturgewalten und fremden Men-
schen noch eine größere Bedeutung hatte als in der späteren Zivilisation, spielt
N. mit seiner Rede von den „Voreltern" an (225, 26 f.). Die fortwirkende Prägung
versucht er durch die Vererbung zu erklären (226, 1). Vererbung war ein von
den Zeitgenossen vielbehandeltes Thema. Vgl. hierzu auch M 35. Im übergrei-
fenden Horizont der Moralkritik und der Subversion „moralischer Vorurtheile"
steht die Erörterung der Gutmütigkeit insofern, als die Zurückführung der Gut-
mütigkeit auf einen von der „Furcht" ausgehenden evolutionären Prozess die
,moralische' Eigenschaft der Gutmütigkeit als letztlich nicht moralisches Phä-
nomen erweist. Damit bereitet N. bereits sein späteres Verfahren einer ,Genea-
logie der Moral' vor.
311
226, 7 Die sogenannte Seele.] Das psycho-physiologische Verständnis
der „Seele" als „Summe innerer Bewegungen" entspricht der insbesondere ge-
gen alle religiösen Vorstellungen gerichteten Grundtendenz der Morgenröthe.
Wie N. den idealistisch verstandenen „Geist" als Vorurteil naturalistisch zu ent-
zaubern sucht (vgl. Μ 31), so hier auch die „Seele".
312
226, 13 Die Vergesslichen.] Die Aufdeckung der noch in unbewussten Zu-
ständen fortwirkenden „Vorgeschichte", die uns mit der „Thierheit" verbin-
det (226, 15 f.), lässt das Vergessen der in der Überschrift genannten „Vergessli-
chen" als zivilisationsbedingte Überlagerung unbewusster „Urerfahrungen"
(226, 18 f.) erscheinen, woraus eine Unfähigkeit zum tieferen ,Verstehen' resul-
tiere. Der abschließende Passus ist ironisch gebrochen - er spielt auf den My-
thos von der Geburt der Athene, der Göttin der Weisheit, aus dem Haupt des
Zeus an (226, 24 f.: „von der Vernunft geboren"). Zu den aus zeitgenössischen
Darstellungen gewonnenen Rückgriffen N.s auf die „Vorgeschichte" der
Menschheit, auf die „Thierheit" und „Urerfahrungen" vgl. den Überblickskom-
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225, 25 Die Gutmüthigen.] Furcht und Furchtsamkeit gehören in den zeit-
genössischen Darstellungen zur Vor- und Frühgeschichte der Kultur und ,Mo-
ral' als wesentliche und noch lange fortwirkende Grunddispositionen (vgl.
auch Μ 142 (134, 12-135, 8). Sie stehen in reflexartigem Zusammenhang mit der
Bereitschaft zur Anpassung, mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Stre-
ben nach Macht. Auf vor- und frühgeschichtliche Stadien, in denen etwa die
Furcht vor wilden Tieren, unbegriffenen Naturgewalten und fremden Men-
schen noch eine größere Bedeutung hatte als in der späteren Zivilisation, spielt
N. mit seiner Rede von den „Voreltern" an (225, 26 f.). Die fortwirkende Prägung
versucht er durch die Vererbung zu erklären (226, 1). Vererbung war ein von
den Zeitgenossen vielbehandeltes Thema. Vgl. hierzu auch M 35. Im übergrei-
fenden Horizont der Moralkritik und der Subversion „moralischer Vorurtheile"
steht die Erörterung der Gutmütigkeit insofern, als die Zurückführung der Gut-
mütigkeit auf einen von der „Furcht" ausgehenden evolutionären Prozess die
,moralische' Eigenschaft der Gutmütigkeit als letztlich nicht moralisches Phä-
nomen erweist. Damit bereitet N. bereits sein späteres Verfahren einer ,Genea-
logie der Moral' vor.
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226, 7 Die sogenannte Seele.] Das psycho-physiologische Verständnis
der „Seele" als „Summe innerer Bewegungen" entspricht der insbesondere ge-
gen alle religiösen Vorstellungen gerichteten Grundtendenz der Morgenröthe.
Wie N. den idealistisch verstandenen „Geist" als Vorurteil naturalistisch zu ent-
zaubern sucht (vgl. Μ 31), so hier auch die „Seele".
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226, 13 Die Vergesslichen.] Die Aufdeckung der noch in unbewussten Zu-
ständen fortwirkenden „Vorgeschichte", die uns mit der „Thierheit" verbin-
det (226, 15 f.), lässt das Vergessen der in der Überschrift genannten „Vergessli-
chen" als zivilisationsbedingte Überlagerung unbewusster „Urerfahrungen"
(226, 18 f.) erscheinen, woraus eine Unfähigkeit zum tieferen ,Verstehen' resul-
tiere. Der abschließende Passus ist ironisch gebrochen - er spielt auf den My-
thos von der Geburt der Athene, der Göttin der Weisheit, aus dem Haupt des
Zeus an (226, 24 f.: „von der Vernunft geboren"). Zu den aus zeitgenössischen
Darstellungen gewonnenen Rückgriffen N.s auf die „Vorgeschichte" der
Menschheit, auf die „Thierheit" und „Urerfahrungen" vgl. den Überblickskom-