Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
192 Zur Genealogie der Moral

280, 22-24 diese Klugheit niedrigsten Ranges, welche selbst Insekten haben
(die sich wohl todt stellen, um nicht „zu viel" zu thun, bei grosser Gefahr)] Diese
Information kann N. in dem von ihm durchgearbeiteten Band Der thierische
Wille von Georg Heinrich Schneider gefunden haben: „Eine Krabbe (Lissa chi-
ragra) krümmt die Beine ein und läßt sich nun stundenlang hin- und herwen-
den ohne ein Glied zu rühren, sobald man sie berührt hat. Dieses Todtstellen
bei unmittelbarer Berührung ist außerdem noch den meisten Spinnen und vie-
len Insecten eigen. [...] Es braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden,
daß solche Täuschungen, besonders wenn sie nur Empfindungstrieben en-
springen, [...] ohne Bewußtsein von der Werthigkeit und vom Zwecke der Bewe-
gungen zu Stande kommen" (Schneider [1880], 171). „Ein weiteres Schutzmittel
[...] ist das Verstellen. Oben haben wir bereits erwähnt, daß bei niederen
Thieren ein Verstellen in Folge unmittelbarer Berührung vorkommt; und wenn
sich die Blattwespen und Prachtkäfer wie todt von den Baumstümpfen fallen
lassen, sobald man sich ihnen nähert, und sich dann längere Zeit nicht rühren,
so geht dieses Verstellen zweifellos unmittelbar aus der Wahrnehmung des na-
henden Menschen hervor. Das Verstellen seitens mancher Vögel und Säuge-
thiere dagegen beruht jedenfalls vollständig auf dem Bewußtsein des Zweckes.
Wenn sich Füchse, Seeottern u. a. auf den ersten Schlag todt stellen, aber so-
fort davonlaufen, sobald man sich anderweitig beschäftigt, wobei sie immer
den günstigsten Augenblick zu wählen wissen, so ist das eine raffinirte Specu-
lation auf des /355/ Menschen Unachtsamkeit." (Ebd., 354 f., S. 355 in N.s Ex-
emplar mit Eselsohr versehen).
280, 25 Falschmünzerei] „Falschmünzerei" als Denunziationsvokabel ist bei N.
schon früh belegt, nämlich zuerst in einem Brief an Carl von Gersdorff vom
16. 02. 1868, der von Studien zu „Demokrits Schriftstellerei" berichtet: „Die un-
geheuren Angaben über dieselbe hatten mir Mißtrauen eingeflößt; ich gieng
dem Begriff einer großartigen litterarischen Falschmünzerei nach" (KSB 2/
KGB I 2, Nr. 562, S. 255, Z. 17-19). Diese „Falschmünzerei" hat sich insbesondere
ein antiker Biodoxograph, nämlich Diogenes Laertius zuschulden kommen las-
sen, der Demokrit ganze 70 Werke zuschreibt (Diogenes Laertius: De vitis
IX 46-49). Bei Diogenes Laertius: De vitis VI 20 findet sich auch eine Hauptins-
pirationsquelle für die Falschmünzermetaphorik: Der spätere Kyniker Diogenes
von Sinope (ca. 391-323 v. Chr.) soll der Sohn eines Wechslers oder Münzmeis-
ters gewesen sein, der sein Amt freilich nicht gewissenhaft ausführte und,
„weil er das Geld verfälscht habe", fliehen musste. Von seinem Sohn Diogenes
von Sinope sagen „einige", „ihm wäre die Aufsicht [sc. über die Münzprägung]
übertragen worden, und die Künstler hätten ihn dazu beredet, er sey hierauf
nach Delfi oder nach Delus, dem Vaterland Apollons gegangen, und habe ge-
fragt, ob er das thun könne, wozu er überredet; da dieser es ihm nun erlaubte,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften