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Stellenkommentar GM III 2, KSA 5, S. 339-340 403

2.
Mit GM III 2 begann ursprünglich das Manuskript der Dritten Abhandlung. Am
Anfang des Abschnitts steht noch einmal die Titelfrage dieser Abhandlung
nach der Bedeutung der asketischen Ideale, um dann sogleich einen „einzel-
nen Fall" (340, 2 f.) in Augenschein zu nehmen, nämlich Richard Wagner, oder
genauer: die Frage, was es bedeute, dass „ein Künstler wie Richard Wagner"
(340, 4 f.) am Ende seines Schaffens der „Keuschheit" (340, 6) huldige. Ge-
meint - wenn auch erst in GM III 3 KSA 5, 341, 25 f. ausdrücklich genannt - ist
damit das „Bühnenweihfestspiel" Parsifal (Wagner 1877, Uraufführung 1882).
Zwar habe Wagner in gewisser Weise solche Huldigungen immer schon vorge-
bracht, „aber erst zu allerletzt in einem asketischen Sinne" (340, 7 f.), womit
er einen tiefgreifenden Sinneswandel vollzogen habe. In seinen besten Zeiten,
als er sich mit dem letztlich nie verwirklichten Projekt trug, Luthers Hochzeit
in Szene und Musik zu setzen, hätte der Komponist auch „ein Lob der Keusch-
heit" im Sinne gehabt, das zugleich aber ein „Lob der Sinnlichkeit" (340, 21-
23) geworden wäre. Es gebe nämlich keinen „nothwendigen Gegensatz" (340,
25) von Keuschheit und Sinnlichkeit - gerade Luther habe zu seiner Sinnlich-
keit gestanden. Und selbst da, wo ein „Gegensatz zwischen Keuschheit und
Sinnlichkeit" (341, 3) auftrete, müsse dieser keineswegs tragisch sein, solange
man ihn eben nicht als Einwand gegen das Dasein begreife, sondern mit Goe-
the und Hafis vielmehr als „einen Lebensreiz mehr" (341, 10), der den verfüh-
rerischen Reiz des Daseins noch verstärke. Allerdings gebe es auch „die verun-
glückten Schweine" (341, 12), die die Keuschheit als ihren Gegensatz anhim-
melten - und gerade dies habe der späte Wagner vertont. Doch warum und
wozu nur?
In NW wird die zweite Hälfte von GM III 2 (340, 24-341, 20) mit einigen
Varianten wiederverwertet (vgl. NW Wagner als Apostel der Keuschheit 2,
KSA 6, 429, 17-430, 5; hierzu NK 6/2, S. 767-770). Scheier 1994, 452 erklärt die
vielleicht überraschende Fokussierung auf Wagner und Parsifal in GM III 2-3 -
die schon in JGB 256, KSA 5, 204, 8-29 vorweggenommen ist - mit der These,
N. habe versucht, durch die Bezugnahme auf damals aktuelle kulturpolitische
Themen Angelhaken für seine Schriften auszuwerfen. Die Rolle Wagners in
GM III als prototypischer moderner Dekadenzkünstler wird eingehend von
Faustino 2014 u. Faustino 2015 untersucht (dazu auch Salanskis 2015b, 20-22).
340, 12-24 Hier kommt uns, gesetzt, dass wir bei dieser Frage ein wenig Halt
machen wollen, alsbald die Erinnerung an die beste, stärkste, frohmüthigste,
muthigste Zeit, welche es vielleicht im Leben Wagner's gegeben hat: das war
damals, als ihn innerlich und tief der Gedanke der Hochzeit Luther's beschäftigte.
Wer weiss, an welchen Zufällen es eigentlich gehangen hat, dass wir heute an
 
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