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Stellenkommentar GM III 13, KSA 5, S. 365-366 477

tet (vgl. z. B. Kant in AA XV, 480 u. AA XXVII, 599). Hier hingegen ist gemeint,
dass es ein psychologisches Selbstmissverständnis sei, zu glauben, ein Leben
könne sich gegen sich selbst richten, tatsächlich seine eigene Abschaffung be-
treiben. Vielmehr richte sich „das Leben" im asketischen Ideal und „durch das-
selbe" „gegen den Tod" (366, 10 f.). Damit wird die physiologische Unmög-
lichkeit genau dessen propagiert, was Schopenhauer als ethische Zielvorgabe
gesetzt hat, nämlich die Selbstnegation des Willens durch die Erkenntnis des-
selben: „Der Wille wendet sich nunmehr vom Leben ab: ihm schaudert jetzt
vor dessen Genüssen, in denen er die Bejahung desselben erkennt. Der Mensch
gelangt zum Zustande der freiwilligen Entsagung, der Resignation, der wahren
Gelassenheit und gänzlichen Willenslosigkeit." (Schopenhauer 1873-1874, 2,
448) Schopenhauer selbst will den Willen gelegentlich auch „physiologisch"
betrachten, siehe das Zitat in NK 365, 18 f. Zum Motiv „Leben gegen Leben" vgl.
auch Saar 2008, 462 u. zum Schopenhauer-Hintergrund Brusotti 2001, 115 f.
Harald Höffding bemüht sich, zwischen den Aufgabenfeldern der Physiolo-
gie und der Psychologie Unterscheidungen einzuziehen (vgl. NK 374, 13-15).
„Die Physiologie untersucht gerade die unbewussten Funktionen, welche den
seelischen Thätigkeiten vorhergehen und deren beständige Grundlage bilden."
(Höffding 1887, 30) Dabei sei „klar", „dass wir — trotz der Selbständigkeit, die
wir der Psychologie am Ausgangspunkte wahrten — diese doch als einen Teil
der allgemeinen Biologie betrachten müssen" (Höffding 1887, 31). Weiter heißt
es: „Die Biologie muss einen Begriff des Lebens aufstellen, der zu allen Stufen
desselben passt, vom organischen Ernährungsprozesse in seinen einfachsten
Formen bis zum ideellsten Gefühls- oder Gedankenprozess." (Ebd. N.s Unter-
streichungen, am Rand von ihm mit „ja!!" und „NB" glossiert.)
366, 1-4 das asketische Ideal entspringt dem Schutz- und Heil-
Instinkte eines degenerirenden Lebens, welches sich mit allen Mitteln
zu halten sucht und um sein Dasein kämpft] In seiner „Einleitung" als Herausge-
ber der von N. benutzten Schopenhauer-Ausgabe hat Julius Frauenstädt sich
darum bemüht, die Aktualität des Philosophen nachzuweisen: „Den ,Kampf
ums Dasein' hat Schopenhauer schon lange vor Darwin gelehrt. Man verglei-
che, um sich hiervon zu überzeugen, das Kapitel ,Charakteristik des Willens
zum Leben' im zweiten Bande der ,Welt als Wille und Vorstell.' (Kap. 28) und
den §. 27 des ersten Bandes. Schopenhauer dehnt nur den ,Kampf ums Dasein'
weiter aus, als Darwin, und verfährt überhaupt gründlicher als dieser, indem
er den Widerstreit der Erscheinungen des Naturwillens auf allen Stufen nach-
weist. Wir sehen nach Schopenhauer in der Natur ,überall Streit, Kampf und
Wechsel des Sieges und erkennen darin die dem Naturwillen wesentliche Ent-
zweiung mit sich selbst. Jede Stufe der Objektivation des Willens macht der
andern die Materie, den Raum, die Zeit streitig. Beständig muß die beharrende
 
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