Stellenkommentar GM III 20, KSA 5, S. 390 545
nen Notat N.s die Rede ist: „Man hat dir die Pfoten gebunden, du Kratz-Katze,
nun kannst du nicht kratzen und blickst Gift mit deinen grünen Augen!"
(NL 1884, KSA 11, 31[35], 373, 1-3; ähnlich auch NL 1884, KSA 11, 32[10], 407,
3-5).
Demgegenüber standen in der älteren romanischen Literatur die „grünen
Augen" gerade für besondere Schönheit - wobei Heinermann 1947 nachgewie-
sen hat, dass es sich dabei um eine Fehlinterpretation der lateinischen „oculi
varii" („bunte Augen") und altfranzösischen „les yeux vairs" gehandelt hat,
die als „les yeux verts" falsch gehört und verstanden wurden und so als Schön-
heitsideal in die iberische Literatur einwanderten, obwohl es bei Menschen
medizinisch gar keine vollgrünen Augen geben könne.
390, 16-18 so nahm sich der Mensch aus, „der Sünder", der in diese Mysterien
eingeweiht war] Vgl. Lippert 1882, 116 f. zur Nähe von Christentum und heidni-
schen Mysterienkulten.
390, 19 f. sein Reich war gekommen] Bekanntlich wird in dem von Jesu gelehr-
ten Vaterunser Gott gebeten: „Dein Reich komme" (Matthäus 6, 10 - „eäOetw
i ßaoiÄEta oov").
390, 29 „Mein Reich ist nicht von dieser Welt"] Das ist nach Johannes 18, 36
die Antwort, die Jesus Pilatus im Verhör auf die Frage gibt, was er getan habe:
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine
Diener würden darob kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde;
aber nun ist mein Reich nicht von dannen" (Die Bibel: Neues Testament 1818,
135).
390, 30-32 Goethe hat behauptet, es gäbe nur sechs und dreissig tragische Situ-
ationen] Eckermann berichtet von seinem Gespräch mit Goethe am 14. Februar
1830: „Goethe spricht darauf über Gozzi und dessen Theater zu Venedig, wo-
bei die improvisirenden Schauspieler blos die Sujets erhielten. Gozzi habe die
Meinung gehabt, es gebe nur sechsunddreißig tragische Situationen; Schil-
ler habe geglaubt, es gebe mehr, allein es sei ihm nicht einmal gelungen, nur
so viele zu finden." (Eckermann 1868, 2, 126) Also stammt nach Eckermann die
fragliche Behauptung nicht von dem sie bloß rapportierenden Goethe, sondern
von Carlo Gozzi. Bemerkenswert ist nun, dass sich die Unterstellung, Goethe
selbst vertrete diese Ansicht, ausgerechnet im selben Band des Goethe-Jahrbu-
ches von 1882 findet, in dem zum ersten Mal Erich Schmidts Faust-Aufsatz ab-
gedruckt worden ist, den N. für die Luther-Stellen in GM ausbeutet (vgl. NK 357,
11 f.). Es handelt sich um den auf Erich Schmidt unmittelbar folgenden Aufsatz
„Goethes Ansicht über das Wesen der Tragödie" von Heinrich Düntzer, in dem
steht: „So wollte Schiller Goethes Behauptung, es gebe nur sechsunddreissig
nen Notat N.s die Rede ist: „Man hat dir die Pfoten gebunden, du Kratz-Katze,
nun kannst du nicht kratzen und blickst Gift mit deinen grünen Augen!"
(NL 1884, KSA 11, 31[35], 373, 1-3; ähnlich auch NL 1884, KSA 11, 32[10], 407,
3-5).
Demgegenüber standen in der älteren romanischen Literatur die „grünen
Augen" gerade für besondere Schönheit - wobei Heinermann 1947 nachgewie-
sen hat, dass es sich dabei um eine Fehlinterpretation der lateinischen „oculi
varii" („bunte Augen") und altfranzösischen „les yeux vairs" gehandelt hat,
die als „les yeux verts" falsch gehört und verstanden wurden und so als Schön-
heitsideal in die iberische Literatur einwanderten, obwohl es bei Menschen
medizinisch gar keine vollgrünen Augen geben könne.
390, 16-18 so nahm sich der Mensch aus, „der Sünder", der in diese Mysterien
eingeweiht war] Vgl. Lippert 1882, 116 f. zur Nähe von Christentum und heidni-
schen Mysterienkulten.
390, 19 f. sein Reich war gekommen] Bekanntlich wird in dem von Jesu gelehr-
ten Vaterunser Gott gebeten: „Dein Reich komme" (Matthäus 6, 10 - „eäOetw
i ßaoiÄEta oov").
390, 29 „Mein Reich ist nicht von dieser Welt"] Das ist nach Johannes 18, 36
die Antwort, die Jesus Pilatus im Verhör auf die Frage gibt, was er getan habe:
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine
Diener würden darob kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde;
aber nun ist mein Reich nicht von dannen" (Die Bibel: Neues Testament 1818,
135).
390, 30-32 Goethe hat behauptet, es gäbe nur sechs und dreissig tragische Situ-
ationen] Eckermann berichtet von seinem Gespräch mit Goethe am 14. Februar
1830: „Goethe spricht darauf über Gozzi und dessen Theater zu Venedig, wo-
bei die improvisirenden Schauspieler blos die Sujets erhielten. Gozzi habe die
Meinung gehabt, es gebe nur sechsunddreißig tragische Situationen; Schil-
ler habe geglaubt, es gebe mehr, allein es sei ihm nicht einmal gelungen, nur
so viele zu finden." (Eckermann 1868, 2, 126) Also stammt nach Eckermann die
fragliche Behauptung nicht von dem sie bloß rapportierenden Goethe, sondern
von Carlo Gozzi. Bemerkenswert ist nun, dass sich die Unterstellung, Goethe
selbst vertrete diese Ansicht, ausgerechnet im selben Band des Goethe-Jahrbu-
ches von 1882 findet, in dem zum ersten Mal Erich Schmidts Faust-Aufsatz ab-
gedruckt worden ist, den N. für die Luther-Stellen in GM ausbeutet (vgl. NK 357,
11 f.). Es handelt sich um den auf Erich Schmidt unmittelbar folgenden Aufsatz
„Goethes Ansicht über das Wesen der Tragödie" von Heinrich Düntzer, in dem
steht: „So wollte Schiller Goethes Behauptung, es gebe nur sechsunddreissig