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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0011
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Entwicklung der Reflexlehre

11

Reflexbegriff nach der Festlegung des BELL-MAGENDiE’schen Ge-
setzes (Hall); das zweite wird ausgedrückt durch die Reflexion
bei Prochaska, durch die „Rückenmarks-Seele“ bei Pflüger und
die Theorie der Vorstellungsbildung, z. B. der Raumvorstellung,
bei Schiff.
Zu diesen zwei Linien stellen sich andere Linien, wenn wir
die Trennung erkennen zwischen den Forschungen im 18. und
19. Jahrhundert. Hatten Erasmus Darwin und Prochaska die
Darstellung der Lebenserscheinungen auf rational begreifbare Vor-
stellungen beschränkt, hinter denen das seelische Geschehen un-
versehrt stand und aus denen das Bild des Menschen eben durch
diese Beschränkung deutlich hervortrat, so hatten die Forscher
im 19. Jahrhundert den nervösen Vorgang ganz herausgestellt
und ihm das Seelische beigegeben. Die Materialisierung der ner-
vösen Substanz beanspruchte völlig das Denken der Forscher
und ließ sie ein Kräftespiel darin konstruieren, das zu berechnen
und dessen Komponenten zu benennen waren. Es ist wohl not-
wendig so, daß auch die „Mechanisierung“ der Kräfte in der
Materie anfängt, wenn einmal mit der materialistischen Auffas-
sung begonnen worden ist. Es kann dann nicht dabei bleiben,
daß die Mechanisierung bloß auf eine Analysierung der Funk-
tionen hinstrebt. Ich habe versucht, unter „Irritabilität“ im An-
schluß an Flourens-Cuvier und dann weiter bei Johannes Müller
und Pflüger-Schiff einigermaßen auf die Zerstörung des Begriffes
dessen, was wirkt, hinzuweisen. „Kraft“, „Eigenschaft“, „Fähig-
keit“ sind die von ihnen angewandten Termini; daß sie konse-
quent und nicht widersprechend gebraucht wurden, kann man nicht
erwarten; und ebenso wenig ist es mir gelungen, wirklich Klar-
heit zu bringen. Wir dürfen nur sagen, daß „Kraft“ schließlich
immer nur für die wahren biologischen Kräfte Empfinden und
Bewegen und für die spezifischen Energien der Nerven in An-
wendung kam. — Gerade dagegen hebt sich das 18. Jahrhundert
in E. Darwin und Prochaska vielleicht am deutlichsten ab: sie
waren nicht der Formulierung der Kräfte verhaftet und brauchten
sie nicht in realer Existenz und mathematisch formal aufzuzeigen.
Ihre Forschungen waren bestimmt durch das Seelisch-nervöse der
menschlichen Existenz, nicht durch ein Kräftespiel in der
nervösen Substanz, weil bei ihnen die Substanzen, sowohl die
fibröse als auch die nervöse, nicht dominierten. Daraus erklärt
sich auch der bei Prochaska ausgesprochene Gegensatz zu Haller,
 
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