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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0099
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Entwicklung der Reflexlehre

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Die Gegenüberstellung mit Erasmus Darwin, wenn sie in
breiterer Form geschähe, könnte am ehesten die ungeheure Ver-
mehrung der Kenntnisse aufweisen, die sich bis zu Johannes
Müller ergeben hatte. Und er war ohne Zweifel einer der weni-
gen, die in enzyklopädischer Menge diese Kenntnisse beherrschten.
Er hat mit ihnen weiter geforscht und neben neuen Kenntnissen
viele Erkenntnisse geschaffen und damit dunkle Gebiete auf-
gehellt, gerade solche, deren Dunkelheit die Weiterentwicklung
verhinderte. Ich möchte ihn an das Ende einer Periode in der
Physiologie setzen, aber nicht weil seine Methode — wie etwa
nach der Beurteilung Koenigsberger’s — ausgespielt hatte, sondern
weil nach ihm und schon durch ihn eine neue Arbeitsweise lohnen-
der wurde. Er führte durch die weitergebrachte Lehre von den
Reflexen die Möglichkeit eines Hindurchgehens der Außenwelt durch
den Menschen zu einer Auffassung, die das aufgeteilte Leben
des Menschen sich wieder vereinigen ließ in den Phänomenen
Empfinden und Bewegen. Seine spezifischen Energien der Sinnes-
nerven, mochten sie später noch so viel an Bedeutung verlieren,
ließen ihn schon erahnen, wie der Mensch in seiner Entwicklung
und in jedem Augenblick seines Lebens Empfindung bilden muß,
der wir mit den Mitteln der philosophischen Erkenntnistheorie
nachzuspüren uns bemühen. Daraufhin kam Schiff in der Folge-
zeit zu seiner erkenntnistheoretischen Erfassung des physiologi-
schen Empfindens.
Moritz Schiff.
Man findet nicht leicht den Weg aus der Zeit Johannes Mül-
ler’s in die danach beginnende Periode der Nervenphysiologie,
wenn auch viele Einzelforschungen auf gerader Straße weiterzu-
gehen scheinen. Wir müssen bedenken, daß Eduard Pflüger’s
Buch „Die sensorischen Funktionen des Rückenmarks der Wirbel-
tiere“ 1853 erschienen war und in der Hauptsache nicht den
Kampf um das Sensorium im Rückenmark führen wollte, sondern
immer noch den Kampf gegen den einen Mann, gegen Hall,
dessen grundsätzliche Arbeiten schon 20 Jahre zurücklagen. Aller-
dings war dieser Streit von vornherein der entscheidende, so-
weit er überhaupt zu einer Entscheidung geführt werden konnte.
Pflüger’s Heftigkeit richtete sich immer gegen Hall, doch
er kämpfte gegen alle gleich heftig, die nicht bereits seine
 
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