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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0056
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Ernst Marx :

sehe nervöse Element zum funktionalen hinzufügte. Die Basis
des Reflexes in der Realität und in der Theorie ist das Vorhanden-
sein eines Zentralorganes. Das Rückenmark wurde nun als ein
solches erkannt, womit es in deutliche Parallele zum Großhirn
rückte. Die Vergleichung beider wurde gerechtfertigt durch ihre
anatomische Ähnlichkeit: beide haben graue und weiße Substanz.
Flourens, Bell und Magendie haben nach ihren revolutio-
nierenden Kenntnissen den Rückenmarksreflex nicht geschaffen,
die Situation von 1824 darf aber mit Recht als die Situation nach
geschehener Wandlung bezeichnet werden. Im Jahre 1835 hat
sich der Anblick der Nervenphysiologie wieder gewandelt; in
diese Zeit den Einschnitt zu setzen, ist bei einem Blick von heute
aus rückwärts berechtigt. 1835 sind Bell’s „Nervenzirkel“, seine
Anschauungen über den Aufbau des menschlichen Körpers nach
den Bedingungen der Atmung in den Hintergrund getreten, sind
Magendie’s Anastomosen zwischen sensiblen und motorischen
Nerven vergessen und hat Flourens’Bemerkung über das Rücken-
mark als den Leiter von Bewegungen nach örtlichen Reizen eine
ganz andere Bedeutung erfahren. Die Lehre von den Reflexbe-
wegungen ist beherrschend geworden zusammen mit der Erkennt-
nis des unbedingt nötigen Vorhandenseins der Zentralorgane beim
nervösen Vorgang.
Aber ehe wir uns nun der Reflexlehre des 19. Jahrhunderts
zuwenden, müssen wir noch kennen lernen, was Bell und Ma-
gendie in späteren Jahren nach der Konstituierung ihres Gesetzes
geleistet haben.
Charles Bell und Franpois Magendie als Forscher.
Die Werke von Charles Bell und Franqois Magendie, mit
denen wir uns jetzt beschäftigen, sind: Charles Bell, „The ner-
vous System of the human body“ 1830, in deutscher Über-
setzung von M. H. Romberg unter dem Titel „Karl Bells phy-
siologische und pathologische Untersuchungen des Nervensy-
stems“ 1832; Franqois Magendie, „Lehrbuch der Physiologie“,
zweite Auflage deutsch 1826, und „Vorlesungen über das Nerven-
system“, wohl 1839, deutsch 1841.
Bell schreibt am Anfang seines Buches: „. . . Nachdem die
Annahme sich bestätigt hatte, daß der vordere Strang des Rücken-
marks und die vordere Wurzelreihe der Spinalnerven für die
 
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