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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0013
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Entwicklung der Reflexlehre
die Möglichkeit, daß Vorgänge, die bei ihnen abgehandelt werden,
als Vergleiche zur Verständlichmachung physiologischer Vorgänge
benutzt wurden. Die Anatomie hatte die Kenntnis des mensch-
lichen Körpers als Substanz mit Strukturen gebracht. Was sich aus
der Strukturierung von den Funktionen des Körpers erkennen und
zwar einfach ablesen ließ, war nicht eben viel; für die Nerven-
physiologie waren es sogar Erkenntnisse, die später weitgehend
revidiert werden mußten. Es war eigentlich eine philosophische
Betrachtungsweise, mit der die Forscher arbeiteten, und so ist
die Physiologie ans Licht getreten in einer Form und in einem
Umfang, die nicht verrieten, daß eine neue Wissenschaft sich
hier gebildet hatte bzw. in Bildung begriffen war.
Einige Erscheinungen, Muskelbewegung, Blutkreislauf und Ver-
dauung beispielsweise, waren schon gesondert eingehend stu-
diert worden und hatten, zumal die beiden letztgenannten, eine
Stellung erreicht, in der sie auch abgetrennt von der Existenz
des ganzen Menschen, also als abstrahierte Lebensphänomene,
betrachtet werden konnten. Man fand an diesen Funktionen des
Lebendigen viele Gesetzmäßigkeiten aus Physik und Chemie wie-
der. Die Muskelbewegung allerdings, besonders die willkürliche,
ließ sich schwer abstrahieren. Der Bewegungsapparat im Ganzen
war zwar leicht den Gesetzen der Mechanik unterzuordnen, und
die Muskelkontraktilität war als Lebensphänomen zu betrachten;
aber die Muskelbewegung auf Willensreiz und als Lebensäußerung
unterstellte doch dieses Sondergebiet (Muskelbewegung) wieder
dem ganzen Menschen, der nur beseelt gedacht werden konnte.
Die Philosophie also schuf das Bild von den Funktionen
des menschlichen Körpers, die Gesamtanschauung, indem sie auch
bei Einzelforschung keine Erscheinungsreihe, die einen Lebens-
vorgang geschlossen darzustellen schien, aus dem Verband des
existierenden, mit Seele begabten Wesens freigab. Die philoso-
phische Frage nach dem Menschen, seiner Kenntnis von der Welt
und — als eines Teiles der Welt — von seinem Körper, Theorie
und Kritik der Erkenntnis, wozu die vergleichbaren und nicht
vergleichbaren Vorgänge in belebter und unbelebter Natur ge-
hören — diese Frage und der Versuch ihrer Beantwortung war
auch der Inhalt der Physiologie als Wissenschaft.
Die Anatomie hatte eine markige Materie als das Substrat
für die nervösen, seelischen Vorgänge aufgezeigt, die in ausge-
prägter Form Schädelhöhle und Rückenmarkskanal ausfüllt; sie
 
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