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Entwicklung cler Reflexlehre
kommen auf das beseelte Geschöpf übertragen ließ. Die Potenzen
des Seelischen hatten Qualität, von den Kräften des Anorgani-
schen kannte man nur die Quantitäten, deren mathematisch zu
erfassende Variabilität ihnen allerdings einen Qualitätscharakter
verlieh. Auch Teilerscheinungen des Lebenden waren weitgehend
mechanischen Gesetzen oder wenigstens Vorstellungen zugäng-
lich gewesen. Eine neue Betrachtungsweise war gegeben zum Be-
greifen des Lebens; wir sehen sie heute als naturwissenschaftlich
an; daß sie „Philosophie“ war, zeigt der mit starker Intuition
geschaffene Aufbau des Lebensbildes, der immer da begann, wo
Philosophie beginnt: „Was weiß ich von der Welt?“, und das
heißt bei Betrachtung des menschlichen Lebens: „Was weiß ich
von mir?“. Dazu stellte sich die Frage der Kritik: „Wie erfahre
ich meine Kenntnisse von mir?“ von selbst ein. Sie wurde zu-
erst abgehandelt: Sinnesorgane, Rezeption des Äußeren, Verar-
beitung der Sinneseindrücke, die Kräfte und Gesetzmäßigkeiten
im Laufe dieses Prozeßes und die Verwertung des letzten Endes
von außen Empfangenen für die Existenz des ganzen Menschen
und des Körpers und die für diese Verwertung nötige Transfor-
mierung. Die Verwertung für die Existenz des ganzen Menschen
und für die körperliche Existenz! Der Körper lebte und arbeitete
für den ganzen Menschen, gewiß; der Zusammenhang der ein-
zelnen Lebenserscheinungen konnte nach Darlegung des beherr-
schenden Seelisch-nervösen sogar stärker erfaßt werden, eben
weil er begreifbar wurde. Aber andererseits hatte die entwickel-
tere und eher zu begreifende Vorstellung des Lebens auch die
Einzelerscheinungen freier gemacht für die wissenschaftliche For-
schung.
Die hier gegebene Hintereinanderreihung hat es realiter an
dem Objekt, an der Physiologie, in ihrer historischen Entwicklung
so nicht gegeben. Aber als die Physiologie eine eigene Wissen-
schaft wurde, da nahm das Subjekt, der Verfasser eines Physio-
logiebuches, dieses Schema an.
Für unsere Untersuchungen ist entscheidend, wie die Wirkung
des von außen Empfangenen und dann Verwerteten auf den
Körper, seine einzelnen Regionen und seine einzelnen Gewebe,
aufgefaßt und beschrieben wurde; die Wirkung auf den ganzen
Menschen war nicht mehr bzw. war bald nicht mehr das Thema
der Physiologie. Spezialisierung, dann Konkretisierung und Kau-
salverbindung der Geschehnisse auf irgendwelche Art machten
Entwicklung cler Reflexlehre
kommen auf das beseelte Geschöpf übertragen ließ. Die Potenzen
des Seelischen hatten Qualität, von den Kräften des Anorgani-
schen kannte man nur die Quantitäten, deren mathematisch zu
erfassende Variabilität ihnen allerdings einen Qualitätscharakter
verlieh. Auch Teilerscheinungen des Lebenden waren weitgehend
mechanischen Gesetzen oder wenigstens Vorstellungen zugäng-
lich gewesen. Eine neue Betrachtungsweise war gegeben zum Be-
greifen des Lebens; wir sehen sie heute als naturwissenschaftlich
an; daß sie „Philosophie“ war, zeigt der mit starker Intuition
geschaffene Aufbau des Lebensbildes, der immer da begann, wo
Philosophie beginnt: „Was weiß ich von der Welt?“, und das
heißt bei Betrachtung des menschlichen Lebens: „Was weiß ich
von mir?“. Dazu stellte sich die Frage der Kritik: „Wie erfahre
ich meine Kenntnisse von mir?“ von selbst ein. Sie wurde zu-
erst abgehandelt: Sinnesorgane, Rezeption des Äußeren, Verar-
beitung der Sinneseindrücke, die Kräfte und Gesetzmäßigkeiten
im Laufe dieses Prozeßes und die Verwertung des letzten Endes
von außen Empfangenen für die Existenz des ganzen Menschen
und des Körpers und die für diese Verwertung nötige Transfor-
mierung. Die Verwertung für die Existenz des ganzen Menschen
und für die körperliche Existenz! Der Körper lebte und arbeitete
für den ganzen Menschen, gewiß; der Zusammenhang der ein-
zelnen Lebenserscheinungen konnte nach Darlegung des beherr-
schenden Seelisch-nervösen sogar stärker erfaßt werden, eben
weil er begreifbar wurde. Aber andererseits hatte die entwickel-
tere und eher zu begreifende Vorstellung des Lebens auch die
Einzelerscheinungen freier gemacht für die wissenschaftliche For-
schung.
Die hier gegebene Hintereinanderreihung hat es realiter an
dem Objekt, an der Physiologie, in ihrer historischen Entwicklung
so nicht gegeben. Aber als die Physiologie eine eigene Wissen-
schaft wurde, da nahm das Subjekt, der Verfasser eines Physio-
logiebuches, dieses Schema an.
Für unsere Untersuchungen ist entscheidend, wie die Wirkung
des von außen Empfangenen und dann Verwerteten auf den
Körper, seine einzelnen Regionen und seine einzelnen Gewebe,
aufgefaßt und beschrieben wurde; die Wirkung auf den ganzen
Menschen war nicht mehr bzw. war bald nicht mehr das Thema
der Physiologie. Spezialisierung, dann Konkretisierung und Kau-
salverbindung der Geschehnisse auf irgendwelche Art machten