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Ernst Marx:
hinaus, es ist der Weg der Physiologie, die das Leben zu er-
kennen suchte und die Spezialisierung schuf. Der Satz von Male-
branche, daß unsere Sinnesorgane uns nicht gegeben sind, um
die Welt zu erkennen, sondern um die Mittel kennenzulernen,
mit denen wir unsere Existenz erhalten können, erscheint ihm
eine traurige Reflexion, aber er widerspricht ihm nicht. Er sagt
wiederholt, daß die fibröse Bewegung, auch die der Sinnesorgane,
in keinem Verhältnis steht zu dem reizenden äußeren Körper,
besonders nicht in einem mechanischen Verhältnis. So ist das
Sehen ein tierischer Vorgang; die physikalischen oder chemischen
Eigenschaften des Lichts sind es nicht, die das Sehen machen,
sondern die Bewegungen der Netzhaut und schließlich des Sen-
soriums. Darüber, wie ein Lebensprozeß nach Erasmus Darwin
vor sich geht, möchte ich ihn wörtlich zitieren. Es heißt z. B.:
„Wenn ein (äußerer) Körper irgendeinen Teil unseres Gefühls-
sinns drückt, was geschieht dann? Zuerst leidet dieser Teil unseres
Sensoriums einen mechanischen Druck, welcher ein Reiz heißt,
zweitens eine Idee oder Zusammenziehung eines Teils dieses
Sinnesorgans wird erregt; drittens eine Bewegung des Mittel-
punkts oder des ganzen Sensoriums wird hervorgebracht, welche
Empfindung heißt; und diese drei Dinge machen die Perzeption
der Solidität (des äußeren Körpers) aus“. Bei der „Zusammen-
ziehung eines Teiles dieses Sinnesorgans“, womit er den fibrösen
Teil meint, beginnt die Bewegung, es wird also deutlich, daß das
Sensorium die „unmittelbare Ursache“ ist, der Reiz des äuße-
ren Körpers die „entfernte“. Wirksam wird die Ursache, der Reiz,
durch Erregung des Sensoriums, das unter die Fibern des un-
mittelbaren Sinnesorgans gemischt ist. Ebenso geht später die
fibröse Bewegung im Muskel auf Veränderungen im Sensorium
unmittelbar zurück. Man muß das Vor- und Zurücktreten des Sen-
soriums als Stoff und als Kraft sich eindringlich vor Augen halten,
sein unbedingtes Vorhandensein an jeder Stelle physiologischen
Geschehens, ja sogar als das erste, das anatomisch gewußt
(markige Substanz) und philosophisch erkannt ist, und dann das
Durchsichtigwerden der sensorischen Aktion und damit das Be-
greiflichwerden des rein tierischen Vorganges. Die Ausfüllung des
ganzen Menschen mit sensorieller Kraft nimmt das Überraschende
an der Vorstellung, daß das Sehen ein Vorgang tierischer Be-
wegung in den Fibern der Retina ist. Die Reaktion des Menschen
nach außen, die Muskelbewegung, ist ein gleicher Vorgang wie
Ernst Marx:
hinaus, es ist der Weg der Physiologie, die das Leben zu er-
kennen suchte und die Spezialisierung schuf. Der Satz von Male-
branche, daß unsere Sinnesorgane uns nicht gegeben sind, um
die Welt zu erkennen, sondern um die Mittel kennenzulernen,
mit denen wir unsere Existenz erhalten können, erscheint ihm
eine traurige Reflexion, aber er widerspricht ihm nicht. Er sagt
wiederholt, daß die fibröse Bewegung, auch die der Sinnesorgane,
in keinem Verhältnis steht zu dem reizenden äußeren Körper,
besonders nicht in einem mechanischen Verhältnis. So ist das
Sehen ein tierischer Vorgang; die physikalischen oder chemischen
Eigenschaften des Lichts sind es nicht, die das Sehen machen,
sondern die Bewegungen der Netzhaut und schließlich des Sen-
soriums. Darüber, wie ein Lebensprozeß nach Erasmus Darwin
vor sich geht, möchte ich ihn wörtlich zitieren. Es heißt z. B.:
„Wenn ein (äußerer) Körper irgendeinen Teil unseres Gefühls-
sinns drückt, was geschieht dann? Zuerst leidet dieser Teil unseres
Sensoriums einen mechanischen Druck, welcher ein Reiz heißt,
zweitens eine Idee oder Zusammenziehung eines Teils dieses
Sinnesorgans wird erregt; drittens eine Bewegung des Mittel-
punkts oder des ganzen Sensoriums wird hervorgebracht, welche
Empfindung heißt; und diese drei Dinge machen die Perzeption
der Solidität (des äußeren Körpers) aus“. Bei der „Zusammen-
ziehung eines Teiles dieses Sinnesorgans“, womit er den fibrösen
Teil meint, beginnt die Bewegung, es wird also deutlich, daß das
Sensorium die „unmittelbare Ursache“ ist, der Reiz des äuße-
ren Körpers die „entfernte“. Wirksam wird die Ursache, der Reiz,
durch Erregung des Sensoriums, das unter die Fibern des un-
mittelbaren Sinnesorgans gemischt ist. Ebenso geht später die
fibröse Bewegung im Muskel auf Veränderungen im Sensorium
unmittelbar zurück. Man muß das Vor- und Zurücktreten des Sen-
soriums als Stoff und als Kraft sich eindringlich vor Augen halten,
sein unbedingtes Vorhandensein an jeder Stelle physiologischen
Geschehens, ja sogar als das erste, das anatomisch gewußt
(markige Substanz) und philosophisch erkannt ist, und dann das
Durchsichtigwerden der sensorischen Aktion und damit das Be-
greiflichwerden des rein tierischen Vorganges. Die Ausfüllung des
ganzen Menschen mit sensorieller Kraft nimmt das Überraschende
an der Vorstellung, daß das Sehen ein Vorgang tierischer Be-
wegung in den Fibern der Retina ist. Die Reaktion des Menschen
nach außen, die Muskelbewegung, ist ein gleicher Vorgang wie