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Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0031
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Entwicklung cler Reflexlehre
sein. Und in dieser Substanz muß diejenige „realitas“ sein,
„vel formaliter vel eminenter“, die ist „obiective in ideis ab
ista facultate productis“. Die Substanz ist das „corpus“, die „na-
tura corporea“. — Als letztes: „ce qui doit y (im Gehirn) etre
pris (die äußeren und inneren passions) pour le sens commun,
. . . pour la memoire, . . . pour la fantaisie, ... et par meine
moyen, distribuant les esprits animaux dans les muscles, faire
mouvoir les membres de ce corps“ (aus 6me Meditation).
Aus diesen Äußerungen ergibt sich:
Die Seele, das Ich, ist bei Descartes nicht nur das einzige
Sichere, sondern auch das einzige Reale, sodaß als Fähigkeit in
strengster Konsequenz nur „cogitare“ bleibt. Selbst die Fähig-
keiten, sich selbst in Bewegung zu setzen und zu empfinden,
schwinden zumindesten in ihrer Realisierbarkeit, wenn der Körper
eine Schöpfung des Gottes ist, der der „Grand Trompeur“ ist.
Das Verstehen und die Reaktion auf etwas Verstandenes ist
körperlich, wenn das zu Verstehende irgendwie figürlich, geo-
metrisch körperlich ist. So geht also auch der Eindruck des Falles
und das Vorstrecken der Hände ohne Teilnahme der Seele ab.
Die „impressions“, die „esprits“ bleiben ebenso Dinge und Vor-
gänge aus der „res extensa“ wie die äußeren „objets“, durch die
sie veranlaßt wurden, ja selbst die Äußerung auf das alles, ist im
Vorgang nicht mit der Seele verbunden.
Aus dem passiven Empfinden werden von der Seele die
„Ideen“ erfaßt und dann aktiv reproduziert —■ das ist die Re-
flexion, deren Substanzlosigkeit den Vorgang in seiner Sponta-
neität nicht ausdrücken läßt. Aber hier liegt obiektive die Reali-
tät, wie Descartes sagt; im Körper ist sie bloß formaliter,
wozu eine Erklärung sein dürfte: mittelbar, monoton, abbildmäßig.
Das, was „mente invita“ vor sich geht, ist in seinem Ablauf
wohl durch das Gehirn gegangen, aber die Reflexion fehlt dabei,
es kann eben nichts weiter sein als ein Ablauf. Der Satz: „C’est
l’äme qui sent et non le corps“ nennt die Seele als das, was sie
im Sens commun ist, wie das obenerwähnte Zitat aus Descartes
Schrift „La Dioptrique“ angibt.
Descartes’ Physiologie war Metaphysik; der nervös-seelische
Mensch war für ihn die „res cogitans“ im Menschen. Der körper-
liche Mensch, in dem als Charakteristika Empfindung und Be-
wegung in der Peripherie beginnen bzw. aufhören, war ein Wesen
mit Instrumenten und Organen und war auch in seiner Zusammen-
 
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