Metadaten

Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0057
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
57

Entwicklung der Reflexlehre
Bewegungskraft bestimmt sind, bot sich die Forderung von
selbst dar, daß der hintere Strang und die hinteren Wurzeln die
Sensibilität vermittelten. Allein in Widerspruch hiermit stand
die so lange gültige Meinung, daß Ganglien die Bestimmung
hätten, die Empfindung zu unterbrechen, und doch ist jeder
einzelne unter diesen Nerven, welche ich als Werkzeuge der
Sensibilität betrachte, mit einem Ganglion an seiner Wurzel ver-
sehen“. Die alte Anschauung von den Ganglien beseitigte er
nun endgültig, indem er den Nachweis führte, daß der Trige-
minus, der doch ein Ganglion besitzt, der große Gefühlsnerv
des Gesichts ist. „Ganglien sind also für die Empfindung kein
Hindernis, und so wurde meine Behauptung gerechtfertigt, daß
die Ganglienwurzeln der Spinalnerven Träger der Sensibilität
sind“. Diese Sätze muten beinahe komisch an; er selbst hat
ja garnicht auf die Sensibilität der hinteren Wurzeln ge-
schlossen. Ich bin zwar davon überzeugt, daß Bell auch ohne
Magendie’s Untersuchungen zu diesem Schluß gekommen wäre,
aber die Forderung von der Sensibilität der hinteren Wurzeln
nach Kenntnis der Eigenschaft der vorderen Wurzeln hätte sich
ihm wohl nicht „von selbst“ gestellt, sondern erst durch neue
Versuche und nach Beseitigung der Ansichten über die Gang-
lien, denen er bis dahin gefolgt vor. Denn „von selbst“ erkannte
er 1811 nur die gemeinsame Bedeutung der vorderen Partien für
Empfindung und Bewegung und der hinteren Partien für die
vitalen Vorgänge. Als er in späteren Jahren alle seine Unter-
suchungen an den Hirnnerven anstellte, war er auf eine an-
dere Weise aus sich heraus fähig geworden, die Natur der Ner-
venwurzeln aufzuklären. Er schreibt noch, daß er nicht lange Zeit
hindurch seine Versuche über die Spinalnerven an Tieren ange-
stellt habe, die bei Bewußtsein gewesen wären. Ehe er seine
Versuche überhaupt nur noch an den Hirnnerven vornahm, be-
täubte er die Tiere, die er untersuchen wollte, um die Qual der
Operationen zu vermeiden. Das habe auch noch den Vorteil ge-
habt, daß man dadurch Bewegungen, die nur als Schmerz-
äußerungen auf Reizung der hinteren sensiblen Wurzel hin zu
verstehen seien, hätte ausschalten können und lediglich dann Be-
wegungen erhalten hätte, wenn die vordere motorische Wurzel
getroffen worden sei. Die Richtigkeit dieser Bemerkung ist natür-
lich sehr fraglich.
Das Rückenmark, zu dem bei ihm auch die Med. obl. gehört,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften