Metadaten

Marx, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 10. Abhandlung): Die Entwicklung der Reflexlehre seit Albrecht von Haller bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: vorgelegt in der Sitzung am 16. November 1938 — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43756#0098
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
98

Ernst Marx :

Empfindling schon im Impuls vorhanden sein und braucht zentral
— also in der Med. obl. — nur noch zum Eindruck zu gelangen,
der als Empfindungseindruck im Gegensatz und gleichzeitig
in engem Verhältnis zum Vorgang im Rückenmark steht. — So
bietet auch die Empfindung in der Med. obl. bei Johannes Müller
ein anderes Bild als bei Cuvier, der seelische Akt ist bei Cuvier
spürbarer als bei Johannes Müller, wobei man natürlich nicht
verschweigen darf, daß bei Johannes Müller hierbei eben-
falls das Sensorium commune beteiligt ist. Es entsteht für uns
die Vorstellung einer nicht reproduzierbaren Empfindung, die ab-
klingt mit der Reaktion — wie das Zentripetale im Rückenmark
— und nur aus dieser Reaktion wieder vorgestellt werden kann.
Wir könnten aber die Frage daran anschließen, ob bei dem Wie-
dervorstellen aus der Reaktion eine Ahnung des gewesenen Emp-
findungseindrucks entstehen kann. — Ich möchte an dieser Stelle,
nach der Besprechung der Zentralteile, noch bemerken, daß
Hall’s Angabe, Johannes Müller habe auch das Gehirn als
Reflexionsorgan betrachtet, sehr vorsichtig aufzunehmen ist. Hall
stellte sich anscheinend dabei vor, daß Johannes Müller keine
Willkürbewegung gekannt habe. —
Ich halte es für lohnend, zum Abschluß noch Johannes Müller
Erasmus Darwin gegenüberzustellen, aber nur soweit, als eine
solche Vergleichung Ergänzungen und Erläuterungen für unsere
Vorstellung von beiden bringen kann. Bei Erasmus Darwin war
das Sensorium der Geist der Belebung und das Substrat für diesen
Geist der Belebung, die markige Substanz, zugleich gewesen.
Alle nervös-seelischen Ereignisse waren bei ihm auf Begreif-
liches, das von ihnen nur das Geschehen aussagte, zuriickge-
führt worden; was an der Betrachtung und Deutung fehlte,
würde bei Vorhandensein nichts am Vorgang ändern, der —
in Bewegungsvorstellungen sich haltend — faßbar und „richtig“
war. Die seelischen Akte hatten bei Erasmus Darwin außer-
halb der Physiologie gestanden. Bei Johannes Müller war das
Seelische bereits nervenphysiologisch in den Mittelpunkt gerückt
und machte jeden Vorgang voll zu dem, als was er erschien
und beschrieben wurde. Zur Vollendung des Beschriebenen be-
durfte es noch der Zentralorgane, jener Teile, wo Lebensprinzip
und psychisches Prinzip sich manifestierten und damit eigentlich
erst den Menschen ausmachten. Erasmus Darwin hatte die Zen-
tralteile weitgehend entbehren können, die Vollendung konnte in
sich selbst geschehen. —
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften